: Zersplittert und nicht ernst genommen
■ Nicaraguas zivile Opposition möchte auch mitreden, wenn Sandinisten und Contras verhandeln
Aus Managua Ralf Leonhard
Wenn zwei Riesen streiten, dann können die Zwerge nur zuschauen. Während die Verhandlungen zwischen der sandinistischen Regierung und der Contra jetzt auf höchster Ebene und sogar auf nicaraguanischem Territorium geführt werden sollen, klagen Oppositionelle im Inland, daß die Sandinisten kein Interesse mehr am nationalen Dialog zeigen. Die Gespräche zwischen Regierung und legaler Opposition wurde vergangenen Oktober im Rahmen des zentralamerikanischen Friedensprozesses aufgenommen, stagnierten allerdings bald und liegen seit Dezember gänzlich auf Eis. Die Opposition setzt sich aus an die 20 Parteien und Splittergruppen zusammen, von denen sich 14 auf eine gemeinsame Plattform einigen konnten. Ursprünglich wollten noch die Unternehmerverbände und christlichen Gewerkschaftsföderationen mitmachen, die mit den Rechtsparteien in der „Coordinadora Democratica“ zusammengeschlossen sind. Das waren den Sandinisten jedoch zuviele Stimmen für ein und dasselbe Anliegen. Mit demselben Recht könnten sie all ihre Massenorganisationen mitreden lassen, drohten sie. Unter den 14 Parteien, die jetzt einen Verhandlungsblock bilden, gibt es nicht weniger als vier liberale Gruppierungen, drei, die sich als christlichsozial bezeichnen, weitere drei, die sich als einzig legitime Nachfolger der alten Konservativen Partei verstehen, zwei mit marxistischen Statuten und zwei weitere, die ideologisch schwer einzuordnen sind. Darunter die Sozialdemokratische Partei, deren Aufnahmeantrag in die Sozialistische Internationale nur mitleidiges Lächeln hervorgerufen hat. Die meisten dieser Parteien haben noch mit internen Spaltungen zu kämpfen, und einige haben Flügel im Exil, die in die Frontorganisationen der Contra integriert sind. Schwierige Einigkeit Wie ist es möglich, daß sich dieser bunte Haufen auf eine gemeinsame Plattform gegen die Sandinisten geeinigt hat? „Der Architekt dieser Allianz der 14 heißt Daniel Ortega“, behauptet Luis Sanchez, der Generalsekretär der Sozialistischen Partei, einer Organisation, die den Sandinisten immer sehr nahegestanden ist. Die Regierung könne nicht mit jeder einzelnen Partei über deren Probleme reden, hatte Ortega am Beginn des Dialogs gesagt, sie möchten sich doch bitte auf eine von mindestens zehn Gruppen getragene Position einigen. Es folgten langwierige Auseinandersetzungen innerhalb der Opposition, die eine Demokratisierung des Landes über Verfassungsreformen erreichen will. Lediglich die ehemals maoistische MAP–ML und die trotzkistische PRT halten sich heraus, weil sie sich mit den zivilen Contra– Sympathisanten nicht an einen Tisch setzen wollen. Über Inhalt und Ausmaß der angestrebten Verfassungsreform herrschte zunächst keine Einigkeit. Für Radikale, wie Ramon Garcia Vilchez von einer der Christlichsozialen Parteien, sollte von der geltenden Verfassung überhaupt nur der Teil bestehen bleiben, der ihre Abänderung regelt. Andere, wie der Konservative Mario Rappaccioli, wollten ganze Kapitel, wie etwa das über die Agrarreform, ersatzlos streichen. Schließlich kristallisierten sich 17 Punkte heraus, die von allen Beteiligten als vorrangig betrachtet wurden. An erster Stelle steht die Entflechtung von Partei, Staat und Armee - eine Grundvoraussetzung dafür, daß der Wählerwille auch dann respektiert werden kann, wenn er sich einmal gegen die Sandinisten entscheiden sollte. Deswegen ist diese Frage auch für die Selbstachtung der Parteien von zentraler Bedeutung. Ähnlich verhält es sich mit dem in demokratischen Verfassungen Lateinamerikas üblichen Wiederwahlverbot des Staatsoberhauptes, das die Sandinisten in ihrem Grundgesetz nicht verankern wollten. Aus dem einfachen Grund, weil die Nachfolge Daniel Ortegas innerhalb der sandinistischen Führung noch nicht ausdiskutiert ist. Innerhalb der neunköpfigen Führung der regierenden FSLN gibt es keinen anderen Mann, der das Interessengleichgewicht so zu halten verstünde wie der derzeitige Präsident. Daher will man in so instabilen Zeiten, die große innere Einigkeit erfordern, nicht im vorhinein ausschließen, daß Ortega ein weiteres Sexennium regiert. Nicht ernstgenommen? Deswegen ist die Regierung in ei nem Anfang Februar veröffentlichten Kompromißvorschlag auch nur auf sekundäre Aspekte innerhalb des 17–Punkte–Katalogs eingegangen, die die herrschende Ordnung nicht in ihren Grundfesten erschüttern: Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz und der Wissenschaft, Umstrukturierung des Wahltribunals, Bestellung eines Ombudsmanns für Menschenrechte u.ä. „Das Problem ist, daß die Sandinisten von Anfang an kein demokratisches, sondern ein totalitäres Projekt verfolgt haben“, urteilt Roger Guevara Mena, einer der Ideologen der Rechtsallianz „Coordinadora Democratica“. Das Taktieren der Sandinisten beim nationalen Dialog interpretiert er als mangelnden Willen zur Demokratie: „Die wollen auf dem Verhandlungsweg erreichen, daß die Contra die Waffen niederlegt, und dann die politische Öffnung wieder rückgängig machen.“ Die Verfassungsreform muß also noch vor Abschluß des Dialogs mit der Contra über die Bühne gehen. Auch Mauricio Diaz, der Chef der linkskatholischen Christlichsozialen Volkspartei (PPSC), ist verbittert: „Die Sandinisten respektieren die Opposition nicht, sie nehmen uns überhaupt nicht ernst.“ Luis Sanchez räumt dagegen ein, daß man schlecht die Umstrukturierung der Armee verlangen und sie damit ihrer Schlagkraft berauben kann, solange der Friede nicht besiegelt ist. Er legt einen Vermittlungsvorschlag von Kardinal Obando so aus, daß die Regierung konkrete Fristen für die einzelnen Demokratisierungsschritte setzen soll. Die Verwirklichung sei aber von der Effektivität der Waffenruhe abhängig zu machen. Seine Partei findet es jedenfalls richtig, daß politische Fragen in den Waffenstillstandsverhandlungen keinen Platz haben. Der Rechtsblock hingegen unterstützt die Forderung der Contras nach einer Vereinigung der beiden Dialoge zum Dreiergespräch Regierung–Opposition– Contra. „Die Contras sind ein Machtfaktor, den man zur Kenntnis nehmen muß“, meint Roger Guevara vorsichtig, „und sie sprechen die Sprache, die die Sandinisten verstehen.“
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