Wallmann contra Lafontaine

■ Eine notwendige Tarifdiskussion wird verschüttet

Die Ankündigung des hessischen Ministerpräsidenten Wallmann, den Tarifabschluß im Öffentlichen Dienst entgegen der bisherigen Praxis nicht für die Landesbeamten zu übernehmen, stützt die These der Gewerkschaften, daß der Vorstoß Lafontaines gegen den vollen Lohnausgleich bei Arbeitszeitverkürzung die Dämme gegen Lohnabbau und soziale Demontage einreiße. Dabei wird übersehen, daß es Wallmann und Lafontaine auf zwei völlig verschiedene Dinge ankommt. Wallmann will die Arbeitszeitverkürzung des neuen Tarifvertrags nicht übernehmen, weil die Neueinstellungen nötig mache. Lafontaine dagegen hat immer möglichst weitgehende Arbeitszeitverkürzung gefordert und wollte durch Lohnopfer der Bessergestellten zusätzliche Finanzmittel für die nötigen Neueinstellungen erschließen. Der Vorstoß Lafontaines und seine politische Funktionalisierung durch Wallmann zielen also in genau entgegengesetzte Richtungen. Dennoch hat Wallmann jetzt der Empörung der Gewerkschaften über Lafontaine, wie sie von der IG Metall erstmals differenziert formuliert worden ist, eine politische Plausibilität verschafft. Denn erst die Auseinandersetzung um die Lafontaine–Thesen hat den Boden für Wallmanns Vorstoß bereitet. Es wäre schade, wenn nun die Diskussion um eine solidarische Arbeitszeit– und Lohnpolitik wieder verschüttet würde. Martin Kempe