: Shultz spricht zu Israels Öffentlichkeit
■ Der US–Außenminister trat eine neue Pendelmission im Nahen Osten an und warb im israelischen Fernsehen für seine Lösung / Generalstreik in den besetzten Gebieten / Zehn Palästinenser am Wochenende getötet
Aus Tel Aviv Amos Wollin
Der jüngste Besuch von US–Außenminister George Shultz in Israel hatte einen ungewöhnlichen Auftakt: Im Unterschied zu früheren Reisen in die Region läutete er am Sonntag seinen Aufenthalt in Jerusalem mit einem Pressegespräch im Hilton–Hotel und einem Auftritt im israelischen Fernsehen ein. Shultz erwähnte dabei Ministerpräsident Jitzhak Shamir, der seinen Nahost–Plan ablehnt, nicht, warb aber gegenüber der israelischen Öffentlichkeit mit den kurz– und langfristigen Vorteilen seines „Pakets“ für die Sicherheit Israels. Der US–Plan sieht eine internationale Eröffnungsrunde für bilaterale Verhandlungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn vor sowie eine begrenzte Selbstverwaltung für die Palästinenser in den besetzten Gebieten und zum Jahresende Gespräche über den endgültigen Sta tus der Westbank und des Gaza– Streifens. Shultz deutete an, daß Verhandlungen mit Jordanien und eine „Zwischenlösung“ für die besetzten Gebiete den palästinensischen Aufstand schnell beenden würden. Er betonte, daß sein Vorschlag einer internationalen Konferenz nichts enthielte, was Israel schaden könnte, und stellte amerikanische Unterstützung für Israel in Aussicht, sollten doch Konflikte auftauchen. Schließlich bekräftigte er, daß es keine Verhandlungen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) geben werde. Vor den Herausgebern israelischer Zeitungen erklärte Shultz an die israelische Öffentlichkeit gerichtet, er unterstütze voll und ganz die „drei Neins“ von Außenminister Shimon Peres: Nein zu Gesprächen mit der PLO, Nein zu einem Palästinenserstaat und Nein zu einem vollständigen Rückzug Israels aus der Westbank und dem Gaza–Streifen. Shultz mag zwar mit seinem Auftritt einige Zweifel in der israelischen Öffentlichkeit ausgeräumt haben. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, daß es ihm gelungen ist, auch Shamir umzustimmen. Israels Ministerpräsident und die Rechtsparteien lehnen jedwede Änderung des Status quo in den besetzten Gebieten im Falle eines Friedensvertrages mit Jordanien ab. Bei seinen beiden früheren Besuchen in der Region war Shultz bemüht, Shamir freundschaftlich davon zu überzeugen, daß ein Frieden im Rahmen der UNO–Resolution 242 besser sei als das Festhalten an dem 1967 eroberten Land. Diesmal stellt er sich offen an die Seite von Peres, der den US–PLan unterstützt. Meinungsumfragen zeigen, daß die Israelis über die Zukunft der besetzten Gebiete tief gespalten sind. Die Parlamentswahlen im Herbst dieses Jahres werden zum ersten Mal ein außenpolitisches Thema zum Schwerpunkt haben. Während Shamir davon ausgeht, daß er in einem Wahljahr größere Chancen hat, wenn er sich als stolzer Nationalist profiliert, hofft die Arbeiterpartei von Peres darauf, daß ihr die amerikanische Unterstützung zum Sieg verhilft. Shultz traf nach einem der mit zehn Toten blutigsten Wochenenden seit Beginn des Aufstands Anfang Dezember in Israel ein. Die Palästinenser empfingen Shultz mit einem Generalstreik in den besetzten Gebieten. Die arabische Presse in Ostjerusalem wies den amerikanischen Plan als eine leicht variierte Neuauflage des Camp–David–Abkommens von vor zehn Jahren zurück und kritisierte, daß die USA nach wie vor versuchten, den Palästinensern vorzuschreiben, wer sie vertreten könne. Nur eine internationale Konferenz unter der Ägide der UNO und mit gleichberechtigter Beteiligung der PLO könne den Weg zu einem gerechten Frieden eröffnen, hieß es unisono. In palästinensischen Kreisen wird damit gerechnet, daß Shultz sich diesmal vor allem bemühen wird, König Hussein von Jordanien zur Zustimmung für seinen Plan zu bewegen. Die PLO hat Jordanien jedoch bereits davor gewarnt, vom „palästinensischen Konsens“ abzuweichen.
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