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Mossad für Mord an Abu Jihad verantwortlich

■ Von israelischen Behörden zensierte Meldungen zitierten eindeutige Geheimdienstinformationen / Partei– und Regierungsmitglieder applaudieren für Kommandoaktion in Tunis / Eine halbe Million Palästinenser in den besetzten Gebieten von Ausgangssperre betroffen

Tel Aviv/Berlin (rtr/taz) - Mit 24 Stunden Verspätung und Kürzungen hat die israelische Militärzensur am Montag eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuter freigegeben, daß „israelische Kreise“ gegenüber der Agentur zugegeben hätten, für das Attentat in Tunis verantwortlich zu sein. Auch in der jüngsten Ausgabe des offiziellen Magazins der israelischen Streitkräfte Bamahane wurde eine Äußerung des Chefs des militärischen Geheimdienstes, Generalmayor Amnon Schahak, abgedruckt, der vor einigen Tagen erklärt haben soll, Israel werde in Kürze Operationen unternehmen wie die Kommandoaktion von 1973, bei der drei hohe PLO–Mitglieder in Beirut getötet wurden. Während die Militärzensur in Israel den im Lande akkreditierten Journalisten verboten hat, über die israelische Verantwortung für den Mordanschlag auf Abu Jihad zu berichten, äußerten sich in Israel neben Sprechern der politischen Parteien auch Regierungsmitglieder erfreut über den Mord. Industrieminister Sharon forderte die „Beseitigung“ auch anderer PLO–Führer, und der Abgeordnete der National–Religiösen Partei Schapira meinte, es sei „ein Jammer, daß es nicht schon früher gemacht worden ist“. Die offizielle Reaktion der Regierung in Jerusalem bestand auch am Mon tag nur in Schweigen. Außenminister Perez antwortete auf Fragen von Journalisten: „Ich bin nicht da.“ Nach einem Bericht des US– Nachrichten Magazins Time geht die Ermordung des PLO– Führers auf das Konto eines „Kommandos“, das sich aus Eliteeinheiten der Armee, der Marine und des Geheimdienstes zusammensetzte. Sie sollen auf dem Seeweg nach Tunesien gekommen sein und nach der Ausführung des Attentats genauso verschwunden sein. Die Attentäter hätten Uniformen getragen, die denen der tunesischen Nationalgarde ähnlich gewesen seien. Der Anschlag selbst wurde von sieben Männern und einer Frau verübt, die zu einer 30 Kopf starken Einheit gehörten. Durch eine nahezu vollständige Ausgangssperre, die noch am Sonntag von den israelischen Besatzungsbehörden über die Westbank und den Gazastreifen verhängt wurde, waren am Montag fast 500.000 Palästinenser in ihren Häusern eingeschlossen. Dennoch wird der Aufstand nach Einschätzung von Palästinensern nach der Ermordung des PLO– Führers Abu Jihad noch breiter und heftiger werden. Da Abu Jihad auch als Bindeglied zwischen der PLO und den islamischen Militanten vor allem in Gaza galt, wird die Kooperation der islamischen Gruppen mit den verschiedenen PLO–Gruppen noch enger werden. In einem in Gaza veröffentlichten Flugblatt bezeichnete eine lokale islamische Gruppe die PLO als die führende Kraft im Kampf der nationalen Befreiung. Auch die Palästinenser in Israel fühlen sich vom Mord an Abu Jihad betroffen. Mohammed Miari, Knessetmitglied und Führer der „Progressiven Friedensliste“, schlug vor, einen nationalen Trauertag abzuhalten und bezeichnete Abu Jihad als Freiheitskämpfer. Aus Anlaß des syrischen Unabhängigkeitstages kam es auch in den Golanhöhen zu Demonstrationen der dort lebenden Drusen gegen die israelische Besatzung und die Ermordung Abu Jihads. Ein Sprecher der Volksfront für die Befreiung Palästinas in Damaskus erklärte am Montag gegenüber der taz, daß der Leichnam Abu Jihads auf Wunsch der in Syrien lebenden Eltern wahrscheinlich in dieser Woche in Damaskus beerdigt werden würde. An den Feierlichkeiten würden alle Führer der PLO teilnehmen, darunter auch Jassir Arafat, der wegen starker politischer Differenzen mit dem dortigen Regime seit Jahren nicht mehr in Syrien war.

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