: Zimmermanns Axt gegen Ausländer
■ Nach jahrelanger Geheimhaltung sind jetzt die Entwürfe eines neuen Ausländerrechts bekanntgeworden
In der Schublade des Bundesinnenministers lauern zwei Gesetzentwürfe über den Umgang mit Ausländern, wie ihn sich Zimmermann wünscht. Klammheimlich sollen die beiden Gesetze auf einer der kommenden Parteiausschußsitzungen behandelt werden. Für die Berliner Anwältin Arendt–Rojahn (siehe Interview) handelt es sich eindeutig um Abschottungsgesetze gegen Ausländer.
Bei den Beratungen des CDU– Bundesvorstandes am Sonntag und Montag spielte das Thema Ausländerpolitik nur am Rande eine Rolle. „Wird nicht auf die Tagesordnung des Parteitags in Wiesbaden gesetzt“, lautet der knappe, nach moderat geführter, kurzer Diskussion gefaßte Beschluß. Für die Kursbestimmung der CDU in dieser Frage wird er allerdings erhebliche Auswirkungen haben. Auf dem Parteitag, dessen zentrales Thema das „christliche Menschenbild als Leitbild unserer Politik“ sein soll, hätten die CDU–Sozialausschüsse (CDA) mit ihren liberalen ausländerpolitischen Vorstellungen ein relativ günstiges Umfeld für die Durchsetzung wenigstens von Teilen ihrer Forderungen gehabt. Im Parteiausschuß, der sich nach den Vorstellungen Bundeskanzler Kohls jetzt mit diesem in der CDU und CSU äußerst kontrovers diskutierten Thema beschäftigen soll, wird, so befürchten CDA–Mitglieder, statt des „christlichen Menschenbildes“ das vom Bundesinnenminister drastisch gezeichnete Gemälde von der angeblichen „Ausländerschwemme“ die Gemüter bewegen und die Beschlüsse bestimmen. Den Schaden begrenzen könnte vielleicht eine Bundesfachkonferenz zur Ausländerpolitik - aber auch diese im kleinen Kreise diskutierte Idee hat ihre Haken: Zum einen kann eine Bundesfachkonferenz nur Empfehlungen aussprechen, zum anderen werden derartige Konferenzen aus finanziellen Gründen oft von der Konrad–Adenauer–Stiftung organisiert, die in dieser Frage „politisch unberechenbar“ sei. Aktuell bleibt den Sozialausschüssen und den etwa 30 bis 40 CDU–Bundestagsabgeordneten, die mit deren am 17. Februar vorgestellten ausländerpolitischen Thesen sympathisieren, nur die Hoffnung auf den Druck, den die großen Kirchen gegen die rigiden Gesetzesvorstellungen von Bundesinnenminister Zimmermann machen. Außerdem werden sie versuchen, die prominenten CDU–Politiker, die ihren Vorstellungen zuneigen wie Norbert Blüm, Rita Süssmuth, aber auch der baden–württembergische Fraktionsvorsitzende Teufel oder das Bundesvorstandsmitglied Renate Hellwig, zu deutlichen Stellungnahmen zu bringen. Angestrebt werden außerdem Abstimmungsgespräche mit dem innenpolitischen Sprecher der CDU/ CSU, Gerster, der mit eigenen ausländerpolitischen Vorstellungen einen Mittelweg zwischen CDA und CSU beschreiten will. Gerster, der in der Regel eine deutliche Distanz zu Innenminister Zimmermann wahrt, könnte mit einem für alle annehmbaren Kompromiß erheblich an Profil gewinnen. Im Zentrum des Konflikts zwischen den CDA–Vorstellungen, die zu großen Teilen von der FDP unterstützt werden, und Gersters „ausländerpolitischen Thesen“ stehen folgende fünf Punkte: 1. Ehegattennachzug für neu in die BRD kommende AusländerInnen: Während die CDA auch für neu in die BRD kommende AusländerInnen, die das Recht auf Nachzug von Ehepartnern ohne Wartefrist und Ehebestandszeiten fordern, will Gerster den Nachzug nur für bereits hier lebende AusländerInnen sichern. 2. Anti–Diskriminierungs–Gesetz: Wird von den CDA nicht nur als „Verhandlungsmasse“ gefordert, „damit das Unrechtsbewußtsein im Hinblick auf Ausländerfeindlichkeit geschärft wird“. 3. Anspruch auf Einbürgerung: Gerster will bereits hier lebenden AusländerInnen einen Anspruch auf eine Aufenthaltsberechtigung gewähren, während die CDA vor allem die Möglichkeit der Einbürgerung für alle Ausländer erheblich erleichtern wollen. 4. Arbeitsmöglichkeiten für sogenannte „de–facto– Flüchtlinge“: Flüchtlinge, deren Aufenthalt in der BRD aus „humanitären Gründen“ erlaubt ist, die aber nicht offiziell als Asylberechtigte anerkannt sind, sollen nach den Vorstellungen der CDA einen Anspruch auf Arbeitserlaubnis haben. 5. Arbeitsverbot für Asylsuchende: Die CDA wollen das Arbeitsverbot aufheben, während Gerster es beibehalten will. Kompromißlösungen sind angesichts so tiefgreifender Differenzen schwer zu finden. Sie werden sich aber auch für die CDU– Hardliner angesichts des Engagements der Kirchen und der Haltung der FDP nicht ganz vermeiden lassen. Es gibt Anzeichen dafür, daß den CDA ein Verzicht auf die Festschreibungen ihrer Forderungen im Gesetz selber angetragen wird, daß ihren Anliegen aber durch neue Verordnungen Rechnung getragen werden soll. So wäre es denkbar, daß „de–facto“–Flüchtlinge künftig durch einen Erlaß der Bundesanstalt für Arbeit einen Anspruch auf Arbeitserlaubnis auch ohne eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Möglich erscheint auch, daß in Fragen der Einbürgerung nicht ein Anspruch mit einer „Muß“–Vorschrift in den Gesetzestext aufgenommen wird, sondern eine „Soll“–Formulierung Verwendung findet. „Das wäre nicht ideal, aber angesichts der Kräfteverhältnisse besser als nichts“, kommentiert ein in diesem Bereich aktiver CDU–Politiker derartige Denkmodelle. Oliver Tolmein
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