Gesetz zur Vergewaltigung in der Ehe blockiert

■ Familienministerin Süssmuth (CDU) und Justizminister Engelhard (FDP) haben sich auf einen gemeinsamen Referenten–Entwurf „geeinigt“ / Süssmuth mußte kleinbeigeben / Unions–Männer stellen sich quer / CDU–Frauen wollen „Überzeugungsarbeit“ leisten

Von Ursel Sieber

Berlin (taz) - Eine Zeitlang sah es ganz danach aus, als ob das Wörtchen „außerehelich“ bald aus dem Strafgesetz verschwinden würde, dort, wo es um Vergewaltigung geht. Im letzten Jahr machte sich erstmals Justizminister Engelhard mit an ein Thema, um das die Konservativen und die Liberalen immer in großem Bogen herumgeschlichen waren. Auch das Süssmuth–Ministerium bastelte an einem Referenten–Entwurf, mit Vorschlägen, die den Forderungen der Frauenbewegung weit entgegenkamen. Davon ist jetzt, nach monatelangen Ver handlungen zwischen beiden Ministern, nichts übriggeblieben. Der Pressesprecher von Engelhard, Jürgen Schmid, spricht zwar von einem „Kompromiß“. Der jetzt vorliegende Referenten–Entwurf trägt jedoch fast ausschließlich die Handschrift des Justizministers. Doch mittlerweile scheint sich in dieser Legislaturperiode überhaupt nichts mehr zu bewegen. In der CDU–/CSU–Fraktion sind es vor allem die männlichen Abgeordneten der Bereiche „Recht– und Innenpolitik“, die sich quer stellen. Sie befürchteten, so sagt eine CDU–Abgeordnete, daß damit höheren Scheidungszahlen Tür und Tor geöffnet werde. CSU– Männer sagen öffentlich, damit würden die Abtreibungszahlen in die Höhe schnellen, und im Paragraph218c (kriminologische Indikation) müßte eine entsprechende Sperre eingebaut werden. So ist es wohl kaum verwunderlich, daß sich Rita Süssmuth gegenüber Justizminister Engelhard in keinem Punkt durchsetzen konnte. Zwar wollte auch Frau Süssmuth die Mindeststrafe von jetzt zwei Jahren auf ein Jahr senken, wenn der Straftatbestand der Vergewaltigung auch auf die Ehe ausgedehnt wird. Aber die Ministerin wollte immerhin die Konstruktion des „minder schweren“ Falls aus dem neuen Vergewaltigungs–Paragraphen herausnehmen. Dagegen hat sich Engelhard gesträubt: In dem Entwurf ist der Absatz vom „minder schweren Fall“ geblieben. Ein Passus, mit dem die Mindeststrafe in der Praxis immer wieder unterlaufen wurde, weil die Gerichte eine frühere Liebesbeziehung und sogar Kneipenbekanntschaften immer wieder zum Anlaß nehmen, die Tat als „minder schwer“ einzustufen. Im Entwurf von Familienministerin Süssmuth war auch die Definition von Vergewaltigung verändert: Sie wollte die Formulierung „gegen ihren Willen“ ins neue Gesetz aufnehmen und damit den herkömmlichen Gewaltbegriff ablösen, der Frauen zwingt, Gegenwehr nachzuweisen und sichtbare körperliche Verletzungen davonzutragen. Doch auch an diesem Punkt mußte die CDU–Ministerin nachgeben: Engelhard wollte es bei der alten Formulierung „mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenseitiger Gefahr für Leib und Leben“ belassen. Zwischen Süssmuth und Engelhard war schon lange Konsens, daß auch eheliche Vergewaltigung von Amts wegen als Offizialdelikt verfolgt werden soll und nicht nur auf Antrag der Ehefrau. Und beide wollten auch, daß im Falle einer „Versöhnung“ der Eheleute dem Gericht die Möglichkeit eingeräumt wird, das Verfahren einzustellen. Justizminister Engelhard hatte deshalb eine sogenannte Widerspruchs–Lösung vorgeschlagen: Die Tat sollte nicht weiter verfolgt werden, „wenn das Opfer widerspricht“. Die Ehefrau könnte damit mit einem einfachen Briefchen ein von Amts wegen eingeleitetes Strafverfahren einstellen - eine einmalige Klausel im Strafgesetzbuch. Ministerin Süssmuth wollte die Einstellung solcher Verfahren immerhin an eine „positive Sozialprognose“ knüpfen: Das Verfahren sollte erst eingestellt werden, wenn dem Gericht in einem bestimmten Zeitabschnitt kein „Rückfall“ bekannt wird. Aber auch damit konnte sich Süssmuth nicht durchsetzen: Es wird bei der Widerspruchslösung von Engelhard bleiben. Jetzt versucht die Grünen–Abgeordnete Waltraud Schoppe gemeinsam mit den Frauen aus CDU– und FDP–Fraktion doch noch etwas zu bewegen. Vergangene Woche fand ein informelles Treffen im Bonner „Presseclub“ statt, zu dem weibliche Abgeordnete aller Fraktionen gekommen waren. Um das Unternehmen nicht zu gefährden, wurde über Namen und Inhalt absolutes Stillschweigen vereinbart. Aber ob es jemals gelingt, die CDU–Damen von der Fraktionsdisziplin abzubringen, steht in den Sternen: Es wäre das erste Mal. So kam beim internationalen Frauentreff auch nur heraus, daß die CDU–Frauen in den eigenen Reihen „Überzeugungsarbeit“ leisten wollen. DOKUMENTATION