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Zwei Tote in Neukaledonien

■ Bürgerkriegsähnliche Situation in der französischen Kolonie / Gleichzeitig studieren in Paris die Parteistrategen das neue Kräfteverhältnis / Verzweiflung in den Gesichter der Konservativen

Aus Paris Georg Blume

Während in Paris die Generalstäbe der Parteien hinter verschlossenen Türen die neuen politischen Kräfteverhältnisse in Frankreich studieren, entwickelt sich fernab in Neukaledonien, der französischen Kolonie im Pazifik, eine bürgerkriegähnliche Situation. Dort empfiehlt der zuständige französische Überseeminister Bernard Pons den Gendarmen und Polizisten, die seit Tagen nach ihren 16 von Kanaken festgehaltenen Kollegen suchen, „auf Waffengewalt mit Waffengewalt zu antworten“. Schußwechsel sind nun an der Tagesordnung, denen innerhalb von 24 Stunden zwei Jugendliche zum Opfer fielen. Barrikaden, die sowohl von Kanaken wie französischen Ansiedlern errichtet wurden, machen Teile der Insel zwischenzeitlich unzugänglich. Franois Mitterrand nahm die Zwischenfälle zum Anlaß, die Rückgängigmachung der Präsidentschaftswahlen vom Sonntag auf der Insel zu beantragen. Zahlreiche Wahlbüros waren am Wahltag in Neukaledonien geschlossen geblieben. Es sind jedoch nicht die Ereignisse im Pazifik, die derzeit Pariser Politiker beschäftigen. Emsig arbeiten nun vor allem die rechten Mehrheitsparteien am wahlpolitischen Puzzlespiel für den zweiten Präsidentschafts–Wahlgang am 8.Mai. Man sucht nach der besten Möglichkeit, die versprengten Teile der Rechten wieder zusammenzukleben, um eine Wahlkatastrophe für Jacques Chirac zu verhindern. Zentrumspolitiker, die in den letzten Tagen von jener republikanischen Front sprachen, in die Franois Mitterrand sie einbinden möchte, wurden von den Parteichefs schnell zum Schweigen verpflichtet. Doch wenn es auch gelingt, bis zum nächsten Wahltag die Koalitionsmannschaft hinter Chirac geschlossen zu halten - den verzweifelten Gesichtern der rechtsliberalen Barre–Anhänger ist abzulesen, daß es der UDF–Partei, die mit der gaullistischen RPR seit zwei Jahren die Regierung stellt, an einer politischen Perspektive fehlt. Wird es für die RPR, die sich mit ihrem Kandidaten Chirac auf absehbare Zeit in eine Oppositionsrolle festgenagelt sieht, nun darum gehen, Le Pen in der Opposition Paroli zu bieten, so kann die UDF wählen zwischen einem Arrangement mit den Sozialisten oder einer stillen Oppositionsrolle.

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