Chirac greift nach letzten Strohhalmen

■ Die französische Agentin Prieur, beteiligt am Anschlag gegen die „Rainbow Warrior“, wurde illegal nach Frankreich geholt /

Aus Paris Georg Blume

Chirac hat es eilig, verständlicherweise, denn viel Zeit bleibt ihm nicht bis zum Urnengang der Franzosen am Sonntag. Gestern zog er seinen letzten Joker, erneut im fernen Pazifik, wo er die französische Geheimagentin Dominique Prieur vom Exil erlöste und heim nach Paris schicken ließ. Prieur, in Frankreich kein unbeschriebenes Blatt, hatte beim inzwischen berühmt–berüchtigten Attentat des französischen Geheimdienstes auf das Greenpeace– Schiff „Rainbow Warrior“ im Juli 1985 mit Hand angelegt und war anschließend von der neuseeländischen Justiz zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Erst ein Abkommen zwischen Neuseeland und Frankreich, das Chirac heute mit Füßen tritt, hatte ermöglicht, daß Prieur für drei Jahre auf die französische Pazifikinsel Hao verbannt wurde - eine Frist, die nur zur Hälfte abgelaufen ist. Der französische Vorwand für die verfrühte Heimkehr - Prieur schwanger - kann nicht verschleiern, daß Chirac offenbar überzeugt ist, am Sonntag nichts mehr verlieren zu können. Die überraschende Befreiung der drei französischen Libanon– Geiseln hat dem Premierminister in letzter Minute alle Skrupel genommen. Skrupellosigkeit aber muß auch schon im Geschäft um die Geiseln mit im Spiel gewesen sein. Der staatliche französische Rundfunksender Radio France International berichtete, zehn Millionen Dollar „Lösegeld“ seien über den Iran an eine pro–islamische libanesische Organisation geflossen, die als Vermittler zu den Geiselnehmern der islamischen Djihad diente. Auch mußte der Pariser Regierungssprecher Baudouin inzwischen zugeben, daß nunmehr die Rückzahlung des letzten Drittels des aus Schah–Zeiten ausstehenden französischen Milliardenkredits inklusive Zinsen durch den Iran bevorstehe. Wie zu erwarten war, wurde die Öffentlichkeit zunächst von persischer Seite über die französischen Zugeständnisse beim Geiselgeschäft informiert. Der Teheraner Vize–Regierungschef Ali–Resa Moajeri erklärte unverblümt, daß Frankreich seit Amtsantritt der Pariser Rechtsregierung im März 1986 eine „positive Haltung“ zu den iranischen Forderungen eingenommen habe. Die iranische Kernforderung an Frankreich bestand immer im Stopp französischer Waffenlieferungen an den Irak. 40 Tage geben sich nun beide Länder, um erneut Botschafter auszutauschen. Offen bleibt dann, ob Mitterrand, der im Wahlkampf oft von Kontinuität sprach, diese auch in der Nahostpolitik Chiracs befolgen will. Vieles spricht dafür.