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Beirut kennt keinen Waffenstillstand

■ Gefechte zwischen pro–syrischer Schiitenbewegung und pro–iranischer Partei Gottes gehen trotz mehrerer Waffenstillstandsabkommen weiter / Hizbollah gibt der Bevölkerung übers Radio religiöse Rückendeckung

Aus Beirut Petra Groll

„Hamdallah–al–sallame - Gott sei Dank, daß ihr gut angekommen seid“, begrüßt Intissam ihren Mann und ältesten Sohn Hassan, die gerade aus „Dahiyeh“, den südlichen Vororten der libanesischen Hauptstadt Beirut, gekommen sind. Zum Aid–Fitr, dem Abschlußfest des moslemischen Fastenmonats Ramadan haben die beiden Männer die Wohnung der Familie im seit dem 6. Mai umkämpften Gebiet verlassen. Obwohl seit dem 11. Mai mindestens dreimal ein Waffenstillstand zwischen der pro–syrischen Schiitenbewegung Amal und der pro–iranischen Partei Gottes Hizbollah proklamiert wurde, gehen die Gefechte mal mehr, mal weniger heftig weiter. Das Feuer aus Panzern und Feldartillerie ist weit bis ins Zentrum Beiruts zu hören, und wo die schweren Waffen schweigen, so berichten die beiden Männer, haben Scharfschützen die Frontlinien übernommen. Bis auf zwei Stadtteile, in denen sich starke Positionen der Amal–Miliz halten können, hat Hizbollah das Terrain weitestgehend unter Kontrolle, wissen die beiden, doch nahe ihrer Wohnung, nahe der „grünen“ Demarkationslinie zwischen Ost– und Westbeirut, wird heftig gekämpft. „Wenn es nicht die Stimme von Dahiyeh gegeben hätte, dann hätten wir manchmal nicht gewußt, was sich vor unserer Haustür abspielt“, meint Hassan. Hizbollah hat schon zu Beginn der Kämpfe ein eigenes Radio auf UKW eingerichtet, besagte „Stimme der Vororte“, die die Bevölkerung mit religiöser Rückendeckung versorgt, über die Ereignisse an den Frontlinien berichtet, den Mut der Milizionäre und Märtyrer preist. „Manchmal“, grinst Hassan, „haben sie die Leute von Amal aufgerufen, die Waffen niederzulegen und sich dem wahren Islam anzuschließen. Von Zeit zu Zeit haben wir sie schreien gehört, wenn sie sich ein ums andere Mal beleidigen, von ihren Verstecken aus. Khomeini ist ein Hundesohn, schreien die Amal–Leute, Esel oder Dummkopf schreien die Hizbollahs zurück, denn schweres Fluchen ist ihnen strikt untersagt.“ Obwohl sie auch an diesem Abend über das Fernsehen erfahren, daß ein neuer Waffenstillstand in Kraft treten soll, will die Familie vorerst nicht zurückkehren. Bislang hat kein Waffenstillstand gehalten, auch wenn jetzt der Vize–Außenminister Ali M. Besharati als persönlicher Gesandter des Ayatollah Khomeini in Westbeirut eingetroffen ist und für Iran an den Verhandlungen teilnimmt, die in Marathonsitzungen in der iranischen Botschaft von Westbeirut stattfinden. Auch soll ein hoher syrischer Militär eine „diskrete“ Reise nach Teheran angetreten haben, der vor allem das Problem der noch immer irgendwo festgehaltenen ausländischen Geiseln klären soll. Bei einer Pressekonferenz, an der auch der Chef des syrischen Militär– Geheimdienstes in Libanon, General Ghazi Kanaan, teilnimmt, erklärt Besharati, unter Umständen sei ein syrischer Einmarsch in die südlichen Vororte nicht unbedingt nötig. Ein am 11. Mai etabliertes Vier–Parteien–Komitee (Syrien, Amal, Iran und Hizbollah–Delegierte) solle den neuen Waffenstillstand überwachen. Weiterhin sollten die Milizen sich von den Straßen zurückziehen, alsbald sollten beide Parteien sich in die Positionen zurückziehen und die sie vor Ausbruch der Kämpfe besetzt hatten. Mit diesem Vorschlag solle ein Einmarsch vermieden und eine politische Lösung erreicht werden. Iran sei im übrigen bereit, Kosten für die Reparatur der Kriegsschäden in den Vororten zu übernehmen.

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