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„Meine Partei hat nicht aufgepaßt“

■ Der Lübecker Bürgermeister M. Bouteiller (SPD) zu seinem Doppel–Auftritt vor dem Atomkongreß und der Gegendemonstration

Der Jurist Michael Bouteiller wurde im vergantaz: Herr Bouteiller, Ihr Auftritt vor dem Atomkongreß war sicherlich ein Novum in der Geschichte dieser Veranstaltung. Sie haben dort die Forderung des Lübecker Stadtparla Michael Bouteiller: Das hat sich am Montag entschieden. Ich bin aufgefordert worden, auf der Demonstration zu sprechen. Das wollte ich nur machen, wenn ich auch drinnen zu Wort kommen würde. Wäre das Zeichen nicht deutlicher ausgefallen, wenn der Bürgermeister nur vor den Demonstranten gesprochen hätte? Gerade wenn man den Dialog will, gibt es keine Veranlassung, nur die eine Seite anzusprechen. Der Bürgermeister ist verpflichtet, die Gäste willkommen zu heißen und dort den Standpunkt der Stadt zu vertreten. Lübeck hat im Wahlkampf nicht nur wegen der Proteste gegen die Atommülltransporte eine Rolle gespielt, sondern auch wegen der von der SPD zu verantwortenden Atomstrom– Verträge mit der PreAg. Der PreAg–Vertrag ist vor meiner Zeit ausgehandelt worden. Er ist eigentlich unbemerkt, ohne Not und ohne Diskussion in den Parteigremien abgeschlossen worden. Das war in der Tat ein gravierender Fehler. Aber das Problem des Vertrages ist weniger die Atomseite als die Frage, wie man regionale Konzepte dort einbringen kann. Ich gehe nicht davon aus, daß da böser Wille im Spiel war, auch nicht auf der Seite der PreAG. Man hat nicht Lübeck über den Löffel balbiert, sondern nur seine eigenen Interessen vertreten. Meine Partei hat in der Tat nicht aufgepaßt. Wollen Sie nachverhandeln? Das wird sehr schwierig sein. Aber wir versuchen das im Augenblick. Erstens wollen wir kartellrechtlich prüfen lassen, ob man kommunale Stromeinspeisungen so weit einschränken darf, wie das in diesem Vertrag geschehen ist. Zweitens wollen wir versuchen, mit der PreAg zu einer Vereinbarung zu kommen, die kommunale Konzepte zuläßt. Das Problem der Atomstromeinspeisung kann die Kommune nicht lösen. Wir können nicht unabhängig von der PreAG sein, das ist uns klar. Wenn Sie auf kommunaler Ebene das Atomstromproblem schon nicht lösen kön Das entspricht einem mehrheitlich gefaßten Beschluß der Lübecker Bürgerschaft, den ich in meiner Rede erwähnt habe. Auf dieser Basis werden wir auch die Landesregierung zu unterstützen haben. Wenn ich den künftig zuständigen Minister, Herrn Jansen, recht verstehe, wird für ihn die wesentliche Aufgabe sein, juristische Wege zu finden, um in den nächsten acht Jahren, also in zwei Legislaturperioden, den Ausstieg zu bewerkstelligen. Ich kenne kein Bundesland, wo in der Vergangenheit entsprechend konkrete Schritte in dieser Richtung unternommen worden wären.

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