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Die Rücktrittsdrohung half

■ Der Reformer Karoly Grosz hat sich gegen die „Kadaristen“ durchgesetzt

In den nur elf Monaten seiner Amtszeit als ungarischer Ministerpräsident hat sich der 57 jährige Karoly Grosz Respekt verschafft. Unter seinem gesichtslosen Vorgänger György Lazar hatte das Amt kaum ein Gewicht, doch nach und nach ist des Grosz gelungen, dem Generalsekretär Janos Kadar Kompetenzen zu entziehen und sie der Regierung zuzuordnen. Stärker als der vor sich hindämmernde Parteiapparat sah sich die Regierung seit einem Jahr gezwungen, auf die Krise der ungarischen Wirtschaft Antworten zu suchen. Dabei näherte sich der Regierungschef zunehmend Postionen an, wie sie von den Parteireformern schon seit einigen Jahren gefordert werden. Die Steuerreform der Regierung und die Aufhebung der Visapflicht für ungarische Bürger haben erste Zeichen gesetzt und auch im Westen für Aufsehen gesorgt. Und im Osten registrierte man sehr genau, daß Grosz bei dem Besuch von Andrej Gromyko in Budapest im Januar dieses Jahres deutlich gemacht hatte, er würde zurücktreten, wenn die „Kadaristen“ sich weiter seinem Kurs widersetzten. Der 1930 geborene Grosz entstammt einer Arbeiterfamilie in Miskolc im Nordosten des Landes und wurde in seiner Jugend Drucker, Offizier, Lehrer und Journalist. Schon als Jugendlicher trat er der Kommunistischen Partei bei und bekleidete in der Provinz untergeordnete Parteiposten. Der steile Aufstieg von Karoly Grosz begann erst im Jahre 1980, als er im Alter von 50 Jahren in das Zentralkomitee der Partei gewählt wurde. Vier Jahre später war er bereits Parteisekretär von Budapest, der größten Lokalorganisation der ungarischen KP, die ein Viertel aller Parteimitglieder repräsentiert, und kam 1985 ins Politbüro. Als er am 27. Juni 1987 zum ungarischen Ministerpräsidenten bestellt wurde, waren viele Ungarn dennoch überrascht. Denn Grosz hatte in einem freimütigen Interview zum 30. Jahrestag des ungarischen Aufstands 1986 eingeräumt, daß er damals von der Partei enttäuscht war und nur von seinem Vater überredet wurde, bei der Stange zu bleiben. er

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