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Syrien zögert weiter mit dem Einmarsch

■ Die blutigste Schlacht des „Schiiten–Krieges“ tobte um die letzten Stützpunkte der Amal in Süd–Beirut / Weiterhin Verwirrspiel bei Verhandlungen / Wenn Syrien ohne iranische Zustimmung einmarschiert, droht ein Blutbad - sonst ein Ansehensverlust

Aus Beirut Petra Groll

Beirut (taz) - Heftige Artillerie– Bombardements erschütterten am frühen Dienstag morgen, dem 21.Tag des „Schiiten–Krieges“ zwischen der prosyrischen Bewegung Amal und der pro–iranischen Hizb'allah, die südlichen Vororte der libanesischen Hauptstadt Beirut. Sporadische Gefechte um die letzten Positionen von Amal in den Bezirken Chiyah und Ghobeyri eskalierten in der Nacht zur blutigsten Schlacht dieses Krieges. Die Hizb'allah verfolgt offenbar das Ziel, Amal auch diese letzten Positionen abzunehmen und ihre Oberherrschaft über alle sieben Bezirke der Vororte auszurufen. Doch scheint die Eskalation der Kämpfe eher von Amal auszugehen, um der Forderung von Amal nach Einmarsch syrischer Trup pen Nachdruck zu verleihen. Die ca. 6.000 Soldaten syrischer Eliteeinheiten, die seit nunmehr einer Woche marschbereit an den Zufahrtsstraßen postiert sind, müssen sich offenbar auf eine längere Belagerung einrichten. Die beiden großen Mächte im Rücken der libanesischen Kriegsparteien, Syrien auf seiten Amals und Iran auf seiten der Hizb'allah, können trotz vielschichtiger Kontakte untereinander keinerlei politische Einigung über das weitere Schicksal der Beiruter Vororte erreichen. Der iranische Vorschlag, entweder nur eine symbolische Präsenz syrischer Truppen in Dahiyeh zuzulassen, oder aber Truppen aus syrischen Elitesoldaten und iranischen Revolutionswächtern in die Vororte hineinzuschicken, stieß weder bei Amal noch bei den Syrern auf Gegenliebe. Von seiten der Amal verlautete indessen, man halte die Verhandlungen des Komitees nicht für besonders fruchtbar, Hizb'allah versuche lediglich Zeit zu schinden. Abgesehen von den militärischen Konfrontationen besannen sich beide Parteien zu Anfang der Woche auch wieder auf ihre propagandistischen Fähigkeiten. Hizb'allah schoß sich verbal auf den Obersten Schiitischen Rat ein, die wichtigste Versammlung schiitischer Persönlichkeiten des religiösen und politischen Spektrums, die die Forderung nach einem syrischen Einmarsch unterstützte. Aus den syrischen Truppen nahestehenden Quellen war hingegen zu erfahren, daß sich Hizb'allah, iranische Revolutionswächter und Angehörige der Arafat–treuen Palästinenserorganisation El–Fateh ein gemeinsames Hauptquartier am Rande des Palästinensercamps Bourj–el–Brajneh eingerichtet haben. Fateh dementierte. Die Forderung nach einem militärischem Eingreifen der Syrer wurde unterdessen auch von Libanons sunnitischem Premierminister Selim–el–Hoss wiederholt. Er forderte am Montag abend den Einmarsch der syrischen Truppen, damit endlich das Blutvergießen beendet werden könne. Am Dienstag zeigten sich allerdings wenig Anzeichen für ein baldiges Einschreiten. Zwar sollen syrische Spezialtruppen im nordlibanesischen Tripoli in höchsten Alarm versetzt worden sein, um eventuell nach Baalbek im Ostlibanon, dem ältesten und sichersten Stützpunkt der Hizballah, verlegt werden zu können. Doch werden sich die Syrer einiges einfallen lassen müssen, um sich aus der derzeitigen politischen Klemme zu winden. Sollte die Intervention doch ohne Übereinkommen mit Iran stattfinden, ist mit schrecklichem Blutvergießen zu rechnen. Ohne Intervention leidet Syriens regionales und internationales Ansehen als einzige Kraft, die den libanesischen Sumpf austrocknen und das Land in ruhige Präsidentschaftswahlen im Sommer führen kann. Ein französischer Journalist in der libanesischen Stadt Baalbek hat am Dienstag ein Schreiben erhalten, in dem die Organisation Islamischer Heiliger Krieg damit droht, ausländische Geiseln zu ermorden, wenn die betroffenen Regierungen nicht direkt mit ihr verhandeln wollten. Die Echtheit des Schreibens konnte weder bewiesen noch widerlegt werden.

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