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Mit dem schlechten Ruf leben

■ Das TIO, Zentrum für türkische Frauen, feierte seinen zehnjährigen Geburtstag / Auch die Mordtat eines türkischen Ehemannes hat die Arbeit nicht zerschlagen

Mit dem schlechten Ruf leben

Das TIO, Zentrum für türkische Frauen, feierte seinen

zehnjährigen Geburtstag /

Auch die Mordtat eines türkischen Ehemannes hat die Arbeit nicht zerschlagen

Begeistert klatschten türkische und deutsche Frauen sowie viele Kinder zur orientalischen Musik, Bauchtänzerinnen drehen sich im Takt: Das TIO, das Informations- und Beratungszentrum für türkische Frauen, feierte am Samstag sein zehnjähriges Jubiläum in den Räumen des Vereins „Akarsu“ in der Oranienstraße. Das älteste Berliner Beratungszentrum ist inzwischen sogar bei westdeutschen Türkinnen bekannt. Ursprünglich eine Selbsthilfegruppe, wird der Laden und seine beiden Sozialarbeiterinnenstellen heute über die Frauenbeauftragte des Senats finanziert.

Karin, Sermin und Ayfer machen alles: Kurse organisieren, Kredit- und Mietrechtsberatung; die meisten Frauen kommen allerdings, wenn sie Trennungsprobleme mit ihren Männern haben. „Türkische Frauen haben es da viel schwerer als deutsche“, sagt Karin. Einerseits reagieren deren Männer sehr viel empfindlicher als die deutschen, fühlen sich in ihrer sogenannten „Ehre“ gekränkt und drohen mit Rache. Andererseits ist die rechtliche Situation schwierig: Türkische Frauen haben erst dann ein Aufenthaltsrecht, wenn sie seit drei Jahren hier leben. Eine Arbeitserlaubnis bekommen sie noch später. Oft bleibt TIO nur die Möglichkeit, mit der Ehegattenkommission des Senats zu verhandeln, die in Einzelfällen für eine Aufenthaltserlaubnis plädieren kann. „Schließlich können sich die Frauen nicht totschlagen lassen von ihren Männern, nur um der Abschiebung in die Türkei zu entgehen“, sagt Karin. Geschiedenen Frauen in der Türkei droht ein Leben am Existenzminimum, wenn sie nicht zu ihrer Familie zurückkehren können. TIO versucht, mit den Frauen vorher abzuklären, welche Möglichkeiten sie haben, und tritt darüber hinaus für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für sie ein.

Das TIO berät nur Frauen, Männer dürfen den Laden nicht einmal betreten, seitdem ein türkischer Mann im Dezember 1984 eine Besucherin erschoß und eine andere schwer verletzte. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt. Damals trauten sich kaum noch Frauen in den Laden. Seit dem Umzug von der Lausitzer- in die Manteuffelstraße kommen mehr Frauen, aber der schlechte Ruf unter türkischen Männern ist geblieben.

Auch nicht gut auf das TIO zu sprechen ist die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John. Das TIO sei familienzerstörend, hatte sie dessen Mitarbeiterinnen vorgeworfen. Man müßte auch mit den Männern reden, dann würden sich die Probleme auch wieder einrenken und die Frauen von ihren Trennungswünschen wieder abkommen - ein Fehlschluß, wie TIO meint.esch

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