: Im Kriechgang zum Gipfel Gestern ist Ronald Reagan in Moskau gelandet / Der Kreml ist verärgert über oberlehrerhafte Haltung Reagans in dessen Rede über die Menschenrechte
Im Kriechgang zum Gipfel
Gestern ist Ronald Reagan in Moskau gelandet / Der Kreml ist verärgert über „oberlehrerhafte Haltung“ Reagans in dessen Rede über die Menschenrechte
Von Andreas Zumach
Genf (taz) - Ohne Aussicht auf konkrete Rüstungskontrollerfolge und überschattet von öffentlichen Auseinandersetzungen über die Menschenrechte und die Afghanistan-Problematik begann gestern am späten Nachmittag in Moskau das vierte Gipfeltreffen zwischen dem sowjetischen Generalsekretär Gorbatschow und US-Präsident Reagan. Zum insgesamt zwölften Nachkriegsgipfel seit der Begegnung Eisenhower-Cruschtschow 1959 in Camp David reiste Reagan zum ersten Mal in die von ihm vor Jahren als „Reich des Bösen“ titulierte Sowjetunion. Das letzte Mal besuchte 1974 beim Treffen Nixon-Breschnew ein US-Präsident die sowjetische Hauptstadt.
Die erste Gesprächsrunde des Gipfels, der am Mittwoch mit getrennten Pressekonferenzen enden soll, galt gestern abend dem Thema Menschenrechte. Noch am Sonntag morgen hatte der Leiter des Moskauer Amerika-Instituts, Arbatow, vor einem „Gipfel ohne handfeste Ergebnisse“ gewarnt, falls Reagan seine „oberlehrerhafte Haltung“ nicht aufgebe. Das war die bislang schärfste Reaktion auf die Rede, in der der US -Präsident am Freitag in der Finnlandia-Halle Helsinkis „mehr Freiheit für die Menschen Osteuropas“ und den „Abriß der Berliner Mauer“ gefordert hatte. Die sowjetische Parteizeitung 'Prawda‘ hatte mit dem Hinweis auf „11.000 politische Gefangene und drei Millionen Obdachlose in den USA“ sowie die „250 Kilometer langen und drei Meter hohen Metallzäune an der Grenze zu Mexiko“ reagiert. Verärgert hat die sowjetische Regierung auch Reagans Absicht zum Treffen mit Dissidenten und ausreisewilligen Juden in der Moskauer US-Botschaft. Sie strich daraufhin - allerdings mit Hinweis auf andere Verpflichtungen Gorbatschows - eine der fünf geplanten Gesprächsrunden.
Er erwarte von diesem Gipfel „keinen Durchbruch für ein START-Abkommen“ über die Halbierung der atomaren Interkontinentalraketen, erklärte Reagans Sicherheitsberater Powell vor Abflug des Präsidenten am Sonntag in Helsinki. Ein Vertrag sei aber „möglich, bevor Reagan aus dem Amt scheidet“. Der sowjetische Generalstabschef Achromejew und der Abrüstungsbeauftragte des sowjetischen Außenministeriums, Karpow, erwarten vom Moskauer Gipfel Fortsetzung Seite 2
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Reagan/Gorbatschow...
präzise Instruktionen für die Genfer START-Delegationen. Die USA müßten dazu endlich ihren Beitrag leisten. Beide Seiten schließen inzwischen eine fünftes Treffen Reagan-Gorbatschow Ende 1988 nicht mehr aus. Einzig konkreter Gipfelakt auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle wird der Austausch der Ratifizierungsurkunden über den Mittelstreckenvertrag (INF) sein. Nach langwierigen Debatten hatte der US-Senat die Ratifizierung am späten Freitagabend mit 93 zu fünf Stimmen gebilligt. Ein Vertragszusatz bindet auch künftige Regierungen an die von der Reagan-Administration gegenüber dem Senat vertretene Vertragsinterpretation. Unterzeichnet werden auf dem Gipfel lediglich ein Fischerei- und ein Kulturabkommen. Beim Thema regionale Konflikte sind aber Verständigungsfortschritte - etwa beim Komplex Angola/Namibia-nicht ausgeschlossen.
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