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Lohnkürzung und Pinkelverbot bei VW Vorstand brütet über Einsparung von 1,3 Milliarden Mark / IG Metall signalisiert Verhandlungsbereitschaft

Lohnkürzung und

Pinkelverbot bei VW

Vorstand brütet über Einsparung von 1,3 Milliarden Mark / IG Metall signalisiert Verhandlungsbereitschaft

Berlin (taz) - Der VW-Vorstand will Löhne und Gehälter der 130.000 Beschäftigten in der Bundesrepublik „schrittweise“ auf die „um sechs Prozent geringere“ Bezahlung bei anderen Automobilherstellern senken. Auf die wachsende Konkurrenz beabsichtigt der Konzern, radikal mit Kürzungen bei Urlaubs -, Weihnachtsgeld sowie bei Pausen zu reagieren. Insgesamt strebt VW Einsparungen in einer Höhe von 1,3 Milliarden Mark an. Dies geht aus einem internen Papier des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Horst Münzner und des Personalchefs Karl-Heinz Briam hervor, das der 'Spiegel‘ in seiner heutigen Ausgabe zitiert. Am Wochenende bestätigte ein Sprecher des Unternehmens den Bericht des Nachrichtenmagazins. Die Sammlung von möglichen Sparmaßnahmen solle als Grundlage für Gespräche mit dem Betriebsrat dienen.

Wenig überrascht von dem Bericht zeigte sich der Wolfsburger IG Metall-Chef Walter Kaufmann. Im Gespräch mit der taz sagte Kaufmann, er gehe nicht davon aus, daß VW die „in dem Papier aufgelisteten Unterschiede zu den Konkurrenten alle beseitigen“ wolle. Die Gewerkschaft sei aber bereit, mit dem Vorstand „auszuloten, an welchen Ecken Kosten zu senken sind. Dabei kann es aber nur um Einsparungen gehen, die die Arbeiter nicht materiell treffen.“ Als Beispiele nannte Kaufmann Pausenregelungen und einen sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau.

Um wesentlich mehr geht es dem Vorstand des VW-Konzerns, der als einziger Großproduzent bis 1986 die Belegschaftszahlen erhöhte. Nach Informationen des 'Spiegel‘ will das Unternehmen prinzipiell den bisher als gesichert geltenden Besitzstand der Belegschaft angreifen. 480 Millionen Mark soll die Lohnkürzung bringen. 325 Millionen gedenken die Manager einzusparen, wenn sie Bandarbeitern pro Schicht statt 40 nur zehn Minuten Erholzeit gönnen. „1.000 DM pro Mitarbeiter“ möchte VW sparen, indem zum Jahresende nicht mehr Weihnachtsgeld plus Sonderzahlung, Fortsetzung Seite 2

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sondern maximal ein 13. Monatsgehalt überwiesen wird. Weitere Vorschläge des 21 Punkte umfassenden Sparprogramms sehen die Streichung „vermögenswirksamer Leistungen aus Unternehmensmitteln“ (80 Mio. Mark) und den Fortfall der „tariflichen Leistungszulage für Angestellte“ (50 Mio.) vor. Die bezahlte 24minütige Pinkelpause halten die Manager für überflüssig.

Bereits im März hatte der Betriebsrat Informationen verbreitet, wonach VW beabsichtige, die Fertigung zu drosseln und mehrere tausend Arbeitsplätze durch Automation und Senkung des Eigenanteils an der Produktion wegzurationalisieren. Das leuchtende Beispiel ist die japanische Konkurrenz: sie läßt 70 Prozent eines PKWs von Zulieferern herstellen (VW: 55 Prozent). Wenn nun VW auch den Grad der Automation in der Produktion drastisch erhöhen will, so wird das nach Ansicht der IG Metall die vergleichsweise niedrige Umsatzrendite nicht erhöhen.

Der Wolfsburger IGM-Chef Kaufmann sagte gegenüber der taz, die Unternehmensleitung habe ihm zugesichert, keine Tarifverträge kündigen zu wollen. Er glaube nicht, daß VW „eine Senkung des Lohnniveaus, Weihnachts- oder Urlaubsgeldes überhaupt anstrebt“. Zu Einzelheiten des „Spiegel„-Berichtes nahm kein Gewerkschaftssprecher Stellung.pep

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