: Zypern: Schüsse gegen den Frieden
■ Nach jahrelanger Ruhe sorgen zwei tödliche Zwischenfälle auf Zypern für Aufregung / Angriff gegen österreichische UNO-Soldaten / Torpedierung einer Annäherung zwischen Inselgriechen und -türken? / Zypriot
Zypern: Schüsse gegen den Frieden
Nach jahrelanger Ruhe sorgen zwei tödliche Zwischenfälle auf Zypern für Aufregung / Angriff gegen österreichische
UNO-Soldaten / Torpedierung einer Annäherung zwischen
Inselgriechen und -türken? / Zypriotischer Gipfel noch in
diesem Monat
Von Klaus Hillenbrand
Berlin (taz) - Um von der zypriotischen Hauptstadt Nikosia nach Athienou zu gelangen, sind einige Umwege erforderlich. Das Bauerndorf mit seinen rund 2.000 zyperngriechischen Bewohnern liegt zwar direkt an der Hauptstraße Nicosia Larnaka, doch die Straße ist gesperrt. Seit der Invasion türkischer Truppen vor rund 14 Jahren liegt der Ort hart an der Grenze zum besetzten Teil innerhalb der Pufferzone der Vereinten Nationen. Die „Blauhelme“ sollen dafür sorgen, daß griechische und türkische Soldaten im brüchigen zypriotischen Frieden voneinander getrennt bleiben.
Doch am letzten Samstag morgen haben die diensthabenden österreichischen UNO-Soldaten offenbar gepennt. Nicht anders ist es zu erklären, daß ein türkischer Soldat die „grüne Linie“ überqueren konnte, sich in einem Haus im zyperngriechischen Athienou verbarrikadierte und dort eine dreiköpfige Familie bedrohte. Ein zufällig vorbeikommender Soldat der griechischen Nationalgarde wurde von dem Türken erschossen; bei der anschließenden Erstürmung des Hauses durch zyperngriechische Elitesoldaten fand der Schütze den Tod.
Schon eine Woche zuvor geschah in Pyla, dem zweiten innerhalb der UNO-Pufferzone gelegenen Dorf, ein ähnlicher Zwischenfall. In dem von Moslems und Christen bewohnten Dorf hatte ein Zyperntürke einen UNO-Soldaten beschossen. Daraufhin erschoß der verletzte Österreicher den Angreifer. Nur Stunden später gerieten „Blauhelme“ in der Stadt Famagusta unter Beschuß von Verwandten des getöteten Zyperntürken. „Das sind keine Zufälle mehr“, so eine Vetreterin der Regierung der Republik Zypern. Einige Indizien sprechen tatsächlich dafür, daß beide Zwischenfälle nicht nur zufällig geschahen. Der in Pyla erschossene Türke, Hussein Kaffas, gehörte früher einmal zur Führung der „TMT“, einer rechten Terrorgruppe, die in den fünfziger und sechziger Jahren gegen griechische Nationalisten und die eigenen Landsleute gleichermaßen agierte. Führer der „TMT“ war damals Rauf Denktasch - heute Präsident der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“. Denktasch nutzte den Zwischenfall in Pyla zu einem Generalangriff gegen das österreichische Kontingent der 2.300 UNO-Soldaten auf der Insel. Die Österreicher müssten verschwinden, allen voran der kommandierende General von UNFICYP, Greindl.
„Das sind Provokationen, um zu zeigen, daß die Volksgruppen nicht zueinander passen“, so schätzt man die tödlichen Schußwechsel auf zyperngriechischer Seite ein. Tatsächlich ist Denktasch angesichts der Annäherung zwischen Griechenland und der Türkei in einige Bedrängnis geraten. Er muß nicht nur befürchten, daß die Türkei über seinen Kopf hinweg zu Zugeständnissen in der Zypern-Frage gegenüber Griechenland bereit ist. Zusätzlich ist Ankara gewillt, den Geldhahn, an dem Denktaschs „Republik“ hängt, in den nächsten Jahren langsam abzudrehen. Auf Zypern selbst ist er seit der Wahl von Georgios Vassiliou in der Republik Zypern mit einem unbequemen Gegenspieler konfrontiert. Vassiliou gilt als kompromißbereit und erschwert dementsprechend Denktaschs Politik der vollendeten Tatsachen.
Noch in diesem Monat sollen Denktasch und Vassiolou auf Basis eines neuen Zypern-Papiers von UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar in New York zusammentreffen - der letzte zypriotische „Gipfel“ liegt immerhin mehr als drei Jahre zurück. So könnten die zementierten Fronten unter dem Eindruck einer griechisch-türkischen Annäherung auch auf Zypern in Bewegung geraten.
In diesem Zusammenhang machen die Schüsse in Pyla und Athienou einen Sinn: als Breitseite gegen jede Annäherung.
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