: Fruchtagentur im Datendschungel
■ Bayerische Grüne vermuten Datenschutzskandal / Offiziell angegebener Telexanschluß des Bayerischen Landesamt für Statistik exisistiert bereits seit 85 nicht mehr / Eine Fruchtagentur hatte ihn übernomme
„Fruchtagentur“ im Datendschungel
Bayerische Grüne vermuten „Datenschutzskandal“ / Offiziell angegebener Telexanschluß des Bayerischen Landesamt für
Statistik exisistiert bereits seit '85 nicht mehr / Eine
Fruchtagentur hatte ihn übernommen
München (taz) - Sind etliche Fernschreiben, die während der Volkszählung an das Bayerische Statistische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung geschickt wurden, bei einer Münchner „Fruchtagentur“ gelandet und somit serienweise „geschützte, personenbezogene Daten“ und Mitteilungen von Gemeinden und Landkreisen in falsche Hände gelangt? Dies befürchtet die Grüne Landtagsfraktion in Bayern. Die Grünen Landtagsabgeordneten vermuten einen „Datenskandal ersten Ranges“. Grund: In den aktuellen Behördenverzeichnissen, wie etwa dem „Telefonverzeichnis der Regierung von Oberbayern und der Hauptverwaltung des Bezirks Oberbayern“ vom Januar '87 oder im bei Behörden weitverbreiteten „Taschenbuch des öffentlichen Lebens“ von Oeckl ist ein falscher Telexanschluß angegeben. Der Anschluß wurde, wie das Landesamt selbst bestätigt, bereits im Juli 1985 aufgegeben. Im neuesten „Amtlichen Telex- und Teletexverzeichnis“ der Bundespost vom Juli '87 ist überhaupt keine Telexnummer des Landesamts mehr zu finden. Unter dem Telexanschluß 5 213 738, der in den offiziellen Telefonverzeichnissen angegeben ist, findet sich stattdessen eine Münchner „Fruchtagentur“ geleitet von einem Herrn namens Fortuna S. Dieser konnte jedoch von den Grünen nicht befragt werden, wieviele Fernschreiben er irrtümlich erhalten hat. Er ist weder für sie noch für die Bundespost zu erreichen. Sein Münchner Telefonanschluß wurde am 9. Dezember '87 gekündigt. Unter dieser Nummer meldet sich jetzt der Anrufbeantworter eines Herrn B.
Aufmerksam auf diese merkwürdige Geschichte wurden die Grünen nur deshalb, weil der Bayerische Verfassungsschutz sich weigerte ihnen seine Fernschreibnummer zu geben. Die Grünen wollten den sich so überaus konspirativ gebärdenden Verfassungsschützern eine Pressemitteilung zum Verfassungsschutzskandal um die Beschaffung personenbezogener Daten und Fotos von Mitgliedern der Bürgerinitiative gegen die WAA in der oberpfälzischen Ortschaft Bruck, schicken. Nachdem sie sich erinnerten, daß der Bayerische Verfassungsschutz bis November '87 sinnigerweise mit dem Landesamt für Statistik im selben Haus untergebracht war, versuchten sie auf diesem Weg ihr Glück und kamen so einem neuerlichen potentiellen Datenschutzskandal auf die Spur. Sie fordern jetzt, daß der bayerische Datenschutzbeauftragte, Konrad Oberhauser, den Fall übernimmt und das Verwirrspiel um den Telexanschluß und die Fruchtagentur im Datendschungel aufklärt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen