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Kein Bergmann überlebte das Unglück

■ Rettungsmannschaften bargen 23 der 57 Verschütteten aus der Braunkohlenzeche / 21 Menschen werden noch vermißt / Kohlenmonoxyd und steigendes Grubenwasser erschweren die Suche / Widerliche Fotojagd

Kein Bergmann überlebte das Unglück

Rettungsmannschaften bargen 23 der 57 Verschütteten aus der Braunkohlenzeche / 21 Menschen werden noch vermißt /

Kohlenmonoxyd und steigendes Grubenwasser erschweren die

Suche / Widerliche Fotojagd

Berlin (taz/rtr) - Am Freitag nachmittag, zwei Tage nach dem Grubenunglück von Borken waren immer noch mehr als die Hälfte der 57 verschütteten Bergleute ohne Überlebenschance in der Tiefe eingeschlossen. Die Rettungsmannschaften bargen 24 Tote, die übertage identifiziert wurden. 21 Arbeiter wurden gestern noch vermißt. Die meisten der gefundenen Bergleute starben an einer Kohlenmonoxyd-Vergiftung, sagte Oberstaatsanwalt Stephan Salcher vor Journalisten. In zwei Fällen hätten Gerichtsmediziner schwere Schädelverletzungen festgestellt.

Unterdessen suchten die etwa 100 Männer der Grubenwehr in allen Streckenbereichen weiter nach den Vermißten. Am Donnerstag abend wurden die Bergungsarbeiten für einige Stunden unterbrochen, um technisches Material Untertage zu bringen und einen neuen Schacht zur Belüftung der mit giftigen Gasen gefüllten Stollen anzulegen. Das Problem der anhaltend hohen und tödlichen Kohlenmonoxyd-Konzentration erschwert die Arbeit der Helfer. Sie müssen sich mit 17 Kilogramm schweren Atemgeräten auf dem Rücken durch Geröllberge vorarbeiten.

Einige Opfer des Unglücks liegen 800 Meter von dem Wetterschacht entfernt. Auf dem Weg zu diesem Schacht droht überall neue Einsturzgefahr. Im südlichen Teil der Zeche, wo die meisten der Vermißten vermutet werden, steigt der Grundwasserpegel, da die Pumpensysteme ausgefallen sind. Gestern blieb unklar, wie lange in diesem Bereich überhaupt noch gearbeitet werden kann, ohne das Leben der Bergungstrupps zu gefährden. Sicher schien dagegen, daß es noch Tage dauern wird, bis die Toten gefunden und an die Erdoberfläche transportiert werden können.

Am Unglücksort hat eine widerliche Fotojagd einiger Reporter eingesetzt. „Müssen Sie ihre Nase unbedingt auf dem Sargdeckel haben?“ herrschte ein Polizist einen Journalisten an, der einen Blick auf den ersten toten Bergmann ergattern wollte. Aus der Luft versuchen zahlungskräftige Fotografen in einem gecharterten Hubschrauber einige Exklusivfotos zu schießen. Empörung löste bei den Verantwortlichen im Sicherheitsstab auch das Vorgehen anderer Reporter aus. Sie gaben sich bei Verwandten des Abiturienten, der am Mittwoch zum ersten Mal in die Grube eingefahren war und umgekommen ist, als Kirchenvertreter ausgaben - wegen eines Fotos von dem jungen Mann. Vermutlich war es die 'BILD'-Zeitung. Sie präsentierte gestern als einziges überregionales Blatt ein Bild des 18jährigen aus dem „Gebrüder-Grimm-Land, über das der Tod kam“.Petra Bornhöft

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