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SQUARES IN MOTION

■ Avantgarde aus Wien in der Galerie Springfeld

SQUARES IN MOTION

Avantgarde aus Wien in der Galerie Springfeld

Der Bogen wird weit gespannt: Bild-, Chip-, Eisen-, Torten-, Ton-, G'wand-, Kopf- und Wortkunst kündigt das Programm an, eine Multi-Media „Show“ für Wien-Fans.

Der Schwerpunkt liegt auf wöchentlich wechselnden Ausstellungen, in denen Zeichnungen, Malerei, Computer- und Videokunst aus Wien gezeigt wird. Und an den Wochenenden, jeweils abends, Schönes, Schräges (Schieches) aus allen musischen Bereichen: ein Gitarrenduo aus Salzburg (11.6.), laute(r) Literatur aus Wien (am 12.6.), Mode von Kopf bis Fuß unter dem Titel „die Wäsche des Herrn“ (18./19.6.), Anagramme und Gedichte (am 25.6.) und zum Abschluß ein großes „Donau-Insel„-Fest mit Konditor-„Art“. Grund zur Freude, denn die Wiener Torten und Strudeln sind ein Genuß (bitte viel Vanille-Sauce!). Doch erstmal geht es weniger konsumtiv, eher kontemplativ zu.

Heidemarie Seblatnig zeigt vom 9. bis 16. Juni Zeichnungen und Computeranimationen mit dem Titel „Squares in Motion“. Arbeitete die Künstlerin schon bei den Tafelbildern mit der Teilung einzelner Bildflächen und deren Neuanordnung, ist mit dem Computer als künstlerischem Medium Statik und eindeutige Zuordnung von Punkten und Flächen im Raum endgültig aufgehoben. Quadrate und Dreiecke als geometrische Grundformen rasen über den Bildschirm, teilen sich, treten aus dem „Rahmen“, erscheinen wieder bildfüllend. Descartes Traum von der Visualisierbarkeit unendlicher Bewegung und Teilbarkeit von Körpern im Raum hat hier Form gefunden. Kein Pinselstrich beendet den Malvorgang, keine Leinwand, die begrenzt, keine „Mal„-Richtung, die nicht auch umkehrbar wäre.

Den Bewegungen der Einzelteile, ihrer Größe und ihren wechselseitigen Beziehungen liegt die Fibonacci-Reihe als mathematische Formel zugrunde. (Die Rechnung, wieviele Kaninchen produziert ein Kaninchenpaar in einem Jahr, brachte den Mathematiker auf eine Zahlenfolge, bei der jedes Glied gleich der Summe der beiden vorangegangenen ist.) Die Fibonacci-Reihe wurde durch Mario Merz in der Bildenden Kunst bekannt, er benutzt sie jedoch nur im Bezug auf Elemente aus der Natur.

Heidemarie Seblatnig arbeitet ausschließlich mit objektiven Elementen, mit geometrischen Figurationen, deren „individueller Charakter“ einzig die Farbigkeit der gelben Flächen zu sein scheint. Auf den Computerbildern simulieren sie eigenwillige Bewegungsabläufe, die von einer verfremdeten E-Musik begleitet werden. Ihre Dynamik wird damit noch unterstrichen, das Raumerlebnis verstärkt.

Punkte, auf denen das Auge ruhen kann, bieten die Zeichnungen auf Papier, die als Vorarbeiten für die Computeranimation verstanden werden können. Ockertöne kontrastieren mit dunklen Grundflächen, gelbe Dreiecke und Quadrate versuchen vergeblich aus dem Rahmen zu „fallen“. Die Intentionen der Künstlerin können so noch einmal langsamer - nachvollzogen werden.

Nach den „Squares in Motion“ beginnt die nächste Ausstellung von Lotte Seyerl am 17. Juni. Ihr Titel „Orte für Rehe“.

Irgendwo habe ich mal gelesen, die Kunst der Avantgarde bestände darin, die Mitte von Differenz und Indifferenz zu treffenDaniela Kloock

Galerie Neue Räume, Lindenstr. 39, Di, Mi 15-19, Do, Fr, Sa, So 15-19 und 20-1 Uhr. Telefon: 251 48 12.

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