: Heimatschützer an die Waffen
■ Mit Wissen der Polizei und des Verfassungsschutzes macht paramilitärische Organisation die Eifel zum Kriegsschauplatz / Sicherheitsbehörden sehen keinen Grund, gegen Heimatschutzverband einzugreifen
Heimatschützer an die Waffen
Mit Wissen der Polizei und des Verfassungsschutzes macht
paramilitärische Organisation die Eifel zum Kriegsschauplatz / Sicherheitsbehörden sehen keinen Grund, gegen
„Heimatschutzverband“ einzugreifen
Aus Düsseldorf J. Nitschmann
In den Wäldern der Eifel proben als „Heimatschützer“ getarnte Militaristen den Kriegsfall - mit Wissen der nordrhein-westfälischen Polizei und Verfassungsschutzbehörden trainieren die jungen Wehrsportler in den alten Bunkeranlagen zwischen Aachen und Monschau den „totalen Widerstand“. Dabei arbeiten sie nach eigenen Angaben auch mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) zusammen.
Der schüchtern und verschlossen wirkende 27jährige Physiklaborant Harald Hermanns bei seinen Mitarbeitern an der Technischen Hochschule (TH) Aachen nur zackig-kurz „H.H.“, in spöttischer Anspielung an den SS-Reichsführer Heinrich Himmler. Hermanns, der in seiner Privatwohnung im Aachener Stadtteil Hanbruch die Bundeszentrale des ominösen „Heimatschutzverbandes“ unterhält, bezeichnet sich selbst bedeutungsschwer als „Hauptkommandoführer des Jagdkommandos III“ - was immer das heißen mag - bzw. als „Bundesführer“ des Verbandes.
Die dubiose Vereinigung hat sich vor zwei Jahren aus dem „Bund der deutschen Legionäre“ um den „Marschall“ Graf Rainer Rene Adelmann von Adelmannsfelden rekrutiert. „Im Konfliktfall sieht der Verband seine Hauptaufgabe in der Unterstützung der Streitkräfte, in der Heimatverteidigung. Im Falle einer Besetzung Europas durch feindliche Kräfte setzen die Mitglieder des Verbandes den Kampf als Widerstandsbewegung fort“, heißt es in der Satzung. Um nicht in den Geruch der Verfassungswidrigkeit zu geraten, hat die paramilitärische Vereinigung geschickt Vorsorge getroffen: Laut Sitzung steht der Verband „auf dem Boden des Grundgesetzes. Er bejaht die demokratische Staatsform und tritt ein für die Verteidigung der Demokratie gegen extremistische Kräfte von rechts und links.“
Über jede Übung seiner Truppe setzt Hermanns die örtlichen Polizei- und Forstbehörden frühzeitig schriftlich in Kenntnis. Dem MAD in Hannover überließ er nach eigener Aussage bereitwillig die Mitgliederkartei zur Überprüfung möglicher „subversiver Elemente“ innerhalb der eigenen Organisation. Und schließlich korrespondiert der oberste Heimatschützer mit dem Bonner Verteidigungsministerium hochoffiziell darüber, ob seine Kameraden auf ihren Phantasieuniformen künftig die Bundesfahne als Aufnäher tragen dürfen. Der „Heimatschutzverband“, der in den einschlägigen Waffenzeitschriften regelmäßig um neue Aktivisten wirbt, hat eigenen Angaben zufolge bundesweit einen harten Kern von etwa 100 Mitgliedern und einige hundert Sympathisanten und Förderer. In einem der taz vorliegenden Aufruf bitten die „Heimatschützer“ ihre Mitglieder und Förderer um Spenden. Damit diese steuerlich absetzbar sind, bemüht sich Bundesführer Hermanns gegenwärtig um die Eintragung ins Vereinsregister.
Die beiden WDR-Reporter Heinz Faßbender und Michael Mross haben sich mit ihren Kamerateams in den Wäldern der Eifel über zwei Monate auf die Lauer gelegt, um diesem zwielichtigen „Heimatschutzverband“ auf die Schliche zu kommen. Bei den Recherchen entpuppen sich die „Heimatschützer“ als eifernde Aktivisten einer paramilitärischen Vereinigung, die in martialischen Kampfanzügen und bewaffnet mit Salutkarabinern und Kampfmessern ins Manöver ziehen, um den Krieg zu proben.
WDR-Reporter Faßbender berichtet, daß sich unter den zumeist nicht einmal volljährigen Militaristen „eine Art Weltuntergangsstimmung“ breitmacht, gepaart mit einer gehörigen Abenteuerlust und Spaß am Kriegsspiel. Als „Kleinkriegsanleitung für jedermann“ dient ihnen die Broschüre „Der totale Widerstand“. Da werden Tips für die Sabotage an Eisenbahnlinien ebenso erteilt wie Anleitungen für die Ausschaltung von Wachleuten vor Kasernentoren. Die „'Kleinkriegsbroschüre‘ ist nicht unsere Bibel“, kommentierte Herrmanns das Handbuch. In dem Schriften des Verbandes findet sich freilich die gleiche Ideologie.
Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden sehen bislang keinen Grund zum Einschreiten gegen die obskuren „Heimatschützer“, weil sie bislang „weder strafrechtlich noch in rechtsextremistischer Form aufgefallen“ seien, wie ein Sprecher des Düsseldorfer Innenministeriums erklärt. Bei der Aachener Polizei sind die Anmeldungen der Wehrsportgruppe für ihre Aktionen bisher so behandelt worden „wie die Ralley eines Motorradsportclubs“, erklärte deren Sprecher. Politische Intentionen waren für die Polizei nicht erkennbar. Kuriosum am Rande: Als sich das WDR-Team in dem Wildgehege Hellenthal (Eifel) an die Fersen der „Heimatschützer“ geheftet hatte, interessierte sich die Polizei eher für die Rechercheure als für die Wehrsportler, erzählte Faßbender. Mehr noch: Ein Kripomann aus Schleiden habe der Wehrsportgruppe hilfsbereit einen bestimmten Wald zugewiesen, damit sie unbehelligt von den Fernsehkameras üben können.
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