Daimler-Benz hält sich schadlos

■ Daimler-Benz will 46.000 Zwangsarbeiter mit 20 Millionen abspeisen / 434 Mark pro Kopf / Zehn Millionen für Opfer des Nazi-Regimes in Alten- und Pflegeheimen, zehn Millionen für eine jüdische Organisation i

Daimler-Benz hält sich schadlos

Daimler-Benz will 46.000 Zwangsarbeiter mit 20 Millionen

abspeisen / 434 Mark pro Kopf / Zehn Millionen für Opfer des Nazi-Regimes in Alten- und Pflegeheimen, zehn Millionen für eine jüdische Organisation in den USA

Aus Stuttgart Dietrich Willier

Die Daimler-Benz AG hat beschlossen, Opfer des NS-Regimes in Alten- und Pflegeheimen deutscher Nachbarländer mit zehn Millionen Mark zu unterstützen und weitere zehn Millionen Mark an eine jüdische Organisation in den USA zu überweisen. Der Daimler-Plan sieht die Überweisung von zehn Millionen Mark an die amerikanische „Conference on Jewish Material Claims against Germany“ vor. Fünf Millionen soll das Deutsche Rote Kreuz an seine Schwesterorganisationen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden verteilen. Weitere fünf Millionen schließlich soll vom Freiburger Maximilian -Kolbe-Werk und anderen Organisationen an Einrichtungen in Polen vergeben werden. 20 Millionen also will der größte bundesrepublikanische Rüstungs-, Automobil-, und Elektronik -Konzern als Entschädigungssumme für insgesamt 46.000 Zwangsarbeiter aufbringen. Also genau 434 DM pro Kopf nach 43 Jahren. Nicht einmal der Zins vom Zinseszins all der ökonomischen Vorteile, die sich der „Gute Stern auf allen Straßen“ seit dem Dritten Reich erwarb. Die Konzernbilanz weist heute weit mehr als 60 Miliarden aus. Vor wenigen Wochen lief der zehnmillionste Benz vom Band, Grund genug für den Daimler-Vorstand zu einem Rückblick in die eigene Vergangenheit und ins wohlgehütete Betriebsarchiv.

Der Wiederbeginn nach dem Kriege, heißt es, sei wenig vielversprechend gewesen, 1945 habe Daimler praktisch aufgehört zu existieren: keine einzige Betriebsstätte sei unversehrt geblieben, der Rest von „Besatzungstruppen“ demontiert und abtransportiert. Ein Jammer, fürwahr, doch was vor 1945 geschah, das verschweigt der Chronist. Die Daimler-Archive, die Aufschluß geben könnten, sind auch heute noch verschlossen. Eine erste umfangreiche Chronik über den „Rüstungskonzern im Tausenjährigen Reich“ wurde im vergangenen Jahr von der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte zum hundertjährigen Daimler-Jubiläum vorgelegt.

Dort steht auch, was jetzt mit 434.-DM pro Kopf vergolten werden soll. Mehr als 72 Wochenstunden, heißt es in einem Brief von Daimler an die politischen Organisatoren der Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen und KZ-Insassen, sei „nicht herauszuholen“. Seit dem Frühjahr 1944 war Daimlers Rüstungsproduktion in unterirdische Gipsgruben, Salzbergwerke und Reichsbahnunnel verlagert worden.

Unter unmenschlichen Bedingungen wurde an Wochentagen bis 23 Uhr am Wochenende bis 21 Uhr gearbeitet. Feuchtigkeit, Kälte und immer wieder herunterstürzende Erde und Geröll ließen die Erkrankungsrate der Zwangsarbeiter auf über 20Prozent steigen. Katastrophale Unterbringung (in Obrigheim am Neckar 1.000 Arbeiter auf 330 Quadratmetern), mangelnde Hygiene und verseuchtes Trinkwasser führten zu Typhus, Tuberkulose, Abszessen und Mangelödemen. Ins Krankenrevier kam erst, wer über 39 Grad Fieber hatte. Im KZ Buchenwald, so berichteten ehemalige Zwangsarbeiter, sei die Verpflegung besser gewesen als bei Daimler-Benz in Mannheim: „Das Doppelte von dem, was wir erhielten, wäre für einen Mann, der nicht gearbeitet hätte, zuwenig gewesen. Wenn sich der Konzern manchmal gegen weitere Produktionsverlagerungen in Höhlen sperrte, dann aus produktionstechnischen Gründen.“