piwik no script img

„We all have the right to be happy“

■ WOMEN IN MUSIC am Sonntag: Die Performance-Künstlerin Jana Haimsohn aus rührt an Gefühlsschichten, die sprachlich schwer wiederzugeben sind

„We all have the right to be, we all have the right to be happy“, sang, sprach, tanzte Jana Haimsohn am Sonntagnachmittag in der Schauburg. Ihre Performance hat mich momentweise glücklich gemacht. Was war es? Daß dies schwierig zu beschreiben ist, liegt daran, was die kleine schwarzhaarige Person dort oben auf der leeren Bühne zum Ausdruck brachte: Ihre Gesten, Laute und Bewegungen rührten an Gefühlsbereiche, die durch Sprache nicht so leicht wiederzugeben sind.

Anfangs ist nur ein Scheinwerferkegel auf die Gestalt der 36jäh

rigen New Yorker Künstlerin gerichtet. Auf dem Rücken liegend, mit schwarzem Hemd und Gymnastikhose bekleidet, saugt sie Luft ein und aus und brabbelt, fast wie ein Baby. Die fremdartigen Laute könnten aber auch von den bizarren, tierähnlichen Schatten stammen, die ihre in die Luft gestreckten Arme und Beine auf den Bühnenhintergrund werfen. Die Töne werden immer lauter, bis die Stimme explodiert und Jana Haimsohns Arm-und Beinbewegungen in einen rasenden Rhythmus übergehen.

Aber sie bleibt verhalten in al

len ekstatischen Momenten. Lärmende Selbstdarstellung ist nicht ihre Sache: die wildesten Bewegungssequenzen überführt sie in moderate Gesten, vermeidet effektvolle Kontraste. Sie formt mit ihren Bewegungen und ihrer Stimme einen fließenden Energiestrom voller Bild-, Bewegungs-und Toneindrücke. Kindheitsträume, sagte sie in einem Interview, seien häufig das Ausgangsmaterial ihrer Performances.

Jetzt steht sie auf der Bühne. Ihre tiefe, bluesige Stimme rapt: „She was born, born a bird, bird on a string...“ Tanzend bringt sie die Töne hervor'ihre Bewegungen scheinen neue hervorzulocken, die Worte gehen in Nonsens-Sprache über, Laute werden wiederholt, variiert, von einer Armbewegung aufgenommen, durch die Stimme beantwortet. Visionen entstehen: da ein Vorstadtcasanova, hier eine Großmutter, dort ein kleines Mädchen, jetzt eine strenge Lehrerin, nun eine Liebende. Die verschiedenen Facetten eines Ich werden sichtbar, hörbar und teilen sich fühlbar mit. In einfachen Sätzen widmete Jana Haimsohn eines ihrer Lieder den vielen aidskranken Babies, die anonym und ausgestoßen in Krankenhäusern liegen. Der Menschenrechtskämpfer gedachte sie mit einem durch Gesang überhöhtes, virtuoses Trommelsolo.

Wenn sie als Kind großen Sän

gern zugehört habe, sagte Jana Haimsohn einmal in einem Interview, habe sie immer den Moment herbeigesehnt, in dem sich deren Stimme öffnete, „furchtlos und großzügig“ wurde. Sie selbst beendete iher Performance mit einer kleinen Geste: Den Körper seitlich gebeugt, schmiegte sie ihren Kopf behutsam in die rechte Hand. Die zärtliche Geste galt allen, die vor ihr saßen. Für ihre furchtlose und großzügige künstlerische Darstellung dankte das Publikum Jana Haimsohn mit begeistertem Beifall.

Renate Neumann

Jana Haimsohn hat ihre Ausbildung als Tänzerin u.a. bei Mercy Cunningham gemacht, Zusammenarbeit mit (Free-)Jazz -Musikern wie Don Cherry und den Pianisten Mal Waldron und Don Pullen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen