„Männer-Aussperrungs-Gesetz“

■ Grüne Bürgerschaftsfraktion debattierte starre Quotierung / Zwanzig Jahre lang dürften höherdotierte Stellen im öffentlichen Dienst nur mit Frauen besetzt werden

Auf lebhaftes Interesse und wenig Gegenliebe stieß gestern ein Gesetzentwurf der Juristin Heike Dieball in der grünen Bürgerschaftsfraktion. Vor allem von ihren grünen Schwestern bekam Heike Dieball geballte Kritik zu hören: „Umgekehrter Sexismus“, „falsche Stoßrichtung der Frauenpolitik“. Entlohnt mit 2.500 Mark hatte die grüne Juristin im Auftrag der Bürgerschaftsfraktion einen Gesetzestext „zur beruflichen Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst im Lande Bremen“ entworfen, der weit über die von der Gleichstellungsstelle initiierte „Richtlinie“ vom Oktober 1984 hinausgeht. Zentraler Punkt in Dieballs Entwurf ist der kompromißlos formulierte Paragraf 3 (1): „Liegt eine Unterrepräsentation von Frauen vor, so muß jede zu besetzende Stelle in diesem Bereich mit einer Frau besetzt werden.“ Für maximal zwanzig Jahre soll dieses „Frauen -Monopol-Gesetz“ (Ralf Fücks) in Kraft

bleiben. In den Fällen, in denen sich keine Bewerberin findet, die die „notwendige Qualifikation“ mitbringt, muß die Stelle offengehalten und eine Überbrückungslösung gesucht werden. Die bisher gültige Frauenförder-„Richtlinie“ läßt dagegen das berühmte Hintertürchen weit offen: Nur bei „gleicher Qualifikation“ sollen Frauen bevorzugt werden.

Der grüne Fraktionsmann Ralf Fücks brachte die Brisanz des neuen Gesetzentwurfs auf den Punkt: „Das Gesetz ist ein Männer-Ausschluß-Gesetz. Eine bestimmte Männergeneration, zu der ich auch gehöre, hat die Rechnung für ein paar tausend Jahre Patriarchat zu bezahlen.“ Ralf Fücks regte an, den Gesetzentwurf mit „umgekehrt proportionaler Quotierung“ für Männer akzeptabel zu machen. Falls etwa der Frauenanteil auf der faglichen Dienstebene bisher schon 10 % betragen habe, sollten nun nicht zu 100 %, sondern nur zu 90 % neue Frauen eingestellt und 10 %

der Arbeitsplätze männlichen Bewerbern vorbehalten werden. Damit hätten auch die Männer seiner Generation noch eine kleine Hoffnung auf einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst.

Uneingeschränkte Unterstützung fand Heike Dieball nur bei einem anderern männlichen Abgeordneten, bei Paul Tiefenbach: „Wenn man will, daß Frauen 50 % werden, gibt es keinen Mittelweg. Und bei Heikes Vorschlag sind die 50 % schneller erreicht als bei Ralfs Modell.“

Unter den weiblichen Abgeordneten und Mitarbeiterinnen, die mit 7 : 5 gestern die Fraktionsmehrheit stellten, fand Heike Dieball nur bei Helga Trüpel Unterstützung: „Ich will, daß die gutausgebildeten Frauen auch in die guten Jobs kommen.“ Helga Trüpel plädierte ähnlich wie Ralf Fücks dafür, „den § 3 anders zu fassen, um auf die Männer zuzugehen.“ Sonst bekam Heike Dieball ausschließlich Kritik zu hören. Caroline Linnert nannte den

Entwurf „zynisch“, weil er nur Privilegien für bereits privilegierte Frauen schaffe und die Arbeitsbedingungen der Bevölkerungsmehrheit außer acht lasse. Carola Schumann hielt den Entwurf für „nicht-verfassungskonform“, für ein bloßes „Kampfmittel“, das „nicht-kommunizierbar sei“. Außerdem fürchte sie, als grüne Akademikerin in den Geruch von „Selbstbedienung“ und „Mittelstandspolitik“ zu kommen. Während Carola Schumann die zu große Radikalität des Entwurfes beklagte, kritisierte Elisabeth Hackstein umgekehrt: „Wenn ich mit dem Gesetz keine grundlegenden Strukturen angreife, was soll das?“

Die FraktionärInnen einigten sich, den Entwurf in einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit Landesvorstand und grüner Frauengruppe zu diskutieren, und dann einer Mitgliederversammlung „Entscheidungsalternativen“ vorzulegen.

B.D.