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Leihmutterschaft von Amts wegen

In Fulda wurde einer abbruchswilligen Asylbewerberin vom Sozialamt die ärztliche Bescheinigung zur sozialen Indikation entzogen / Vorschlag: Für das Kind auch Sozialhilfe beantragen oder zur Adoption freigeben  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Die Grünen im hessischen Landtag machten am Montag auf den Fall einer schwangeren äthiopischen Asylbewerberin und Sozialhilfeempfängerin in Fulda aufmerksam, der nach dem Besuch einer Beratungsstelle und eines Arztes eine Bescheinigung für einen Schwangerschaftabruch auf der Basis einer sozialen Indikation ausgestellt worden war. Als die Asylbewerberin jedoch anschließend bei dem für sie zuständigen Sozialamt in Fulda die Übernahme der Kosten für den Abbruch beantragte, wurde ihr die ärztliche Bescheinigung über die soziale Indikation entzogen. Das Sozialamt argumentierte, die Asylbewerberin könne für das Kind später gleichfalls Sozialhilfe beantragen, so daß sie sich nicht in einer Notlage befinde, die eine soziale Indikation rechtfertigen würde. Aus diesem Grunde könne das Sozialamt die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch nicht übernehmen. Nach Darstellung von Fritz Hertle (MdL/Grüne) hätten Vertreter des Sozialamtes darüberhinaus versucht, die Asylbewerberin, die bereits zwei Kinder hat, zum Austragen der Schwangerschaft zu überreden. Hertle: „Als besonders schlimm und zynisch werte ich die Tatsache, daß das Sozialamt in Fulda die betroffene Frau aufgefordert hat, die Schwangerschaft auszutragen und das Kind anschließend zur Adoption freizugeben. Das ist de facto eine Aufforderung zur Leihmutterschaft von Amts wegen.“ Das Fuldaer Sozialamt habe die finanzielle Notlage der Frau „schamlos ausgenutzt“. Die Verweigerung der Übernahme der Krankenhauskosten komme einer „Erpressung“ gleich. Nach Auffassung der Grünen wird damit das umstrittene Beratungsgesetz zum Paragraph 218, auf dessen Grundlage abbruchwillige Frauen zum „Austragen der Leibesfrucht“ animiert werden sollen, in der osthessischen Bischofsstadt praktisch bereits angewandt - auch wenn es im Bundestag noch gar nicht verabschiedet ist. Die Grünen haben sich in einem offenen Brief mit einem dringenden Appell an die Frauenbeauftragte der Landesregierung, Otti Geschka CDU), gewandt. Die Frauenbeauftragte solle sich umgehend für die Rechte der betroffenen Frau einsetzen und darüberhinaus das Sozialamt Fulda und den hessischen Sozialminister Trageser (CDU) „ins Gebet nehmen“. Der Landkreis Fulda habe seine Kompetenzen eindeutig überschritten, denn noch sei das Beratungsgesetz nicht in Kraft. Hertle: „Hier soll auf dem Rücken der Schwächsten dieser Gesellschaft ausprobiert werden, inwieweit dieses Beratungsgesetz in der Praxis durchzusetzen ist.“

Das in die Schußlinie geratene Fuldaer Sozialamt hat sich inzwischen an Sozialminister Trageser gewandt und um ministerielle „Anweisung“ für die weitere Verfahrensweise gebeten. Gegenüber der Presse hatte Trageser allerdings schon darauf hingewiesen, daß die Sozialämter in Hessen nur den Weisungen der einzelnen Landkreise unterliegen würden. Auch von der Frauenbeauftragten Otti Geschka war bis Redaktionsschluß keine Stellungnahme zum Thema zu bekommen.

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