: „Laßt das Uran in der Erde“
Erster Weltkongreß gegen Uranabbau fordert Ausstieg aus der Atomenergie / Blockade von Atomtransporten / Indianerbevölkerung klagt Neo-Kolonialismus an ■ Aus Saskatoon T. Siepelmeyer
Eines der wichtigsten Ergebnisse des am Dienstag beendeten ersten internationalen Kongresses gegen Uranabbau ist ein Aufruf zu direkten Aktionen gegen alle Teile des Atomkreislaufs, um einen weltweiten Ausstieg aus der Atomindustrie zu erreichen. Deshalb blockierten die Delegierten aus 22 Ländern am Dienstagmorgen das Lagergelände der Uranmine Key Lake in Saskatoon. Die Mine wird von der deutschen Uranerz GmbH technisch geleitet. Das in der 600 Kilometer nördlich gelegenen Mine produzierte Urankonzentrat wird mit Lastwagen in das Saskatoon-Lager gebracht und hier für den Weitertransport in die USA oder, über die Großen Seen, nach Europa vorbereitet.
Diese Aktion zeigte auch eine der großen Probleme der Atomindustrie weltweit auf: die Transportwege. In die Minen des nördlichen Saskatchewan führt zum Beispiel nur eine einzige Straße. Auf die Blockade und Schließung dieser Straße für Atomtransporte will sich deshalb die Anti -Uranabbau-Bewegung in dieser Provinz in der nächsten Zeit konzentrieren. Ein Aufruf zu ähnlichen Aktionen weltweit wurde vom Kongreß verabschiedet.
Durch die Berichte und Vorträge aus den verschiedenen Kontinenten und Ländern wurde aufgezeigt, daß über 70 Prozent des weltweiten Uranabbaus in Ländern der „Dritten Welt“ und auf den Territorien von indigenen Völkern in Kanada, den USA und Australien getätigt wird.
Jim Garett, der umweltpolitische Sprecher der Lakota -Indianer aus South-Dakota, bezeichnete diese Vorgehensweise der Konzerne und Regierungen als fortgesetzten Kolonialismus, der sich sowohl nach innen gegen die indigenen Völker der industrialisierten Staaten wie nach außen gegen Länder der „Dritten Welt“ richtet. „Wir sind nicht länger bereit zu akzeptieren, daß die reichen Länder der Welt auf Kosten unserer Umwelt und unserer Familien eine Ökonomie aufrechterhalten, die einzig auf Verschwendung und Profit aufgebaut ist.“ Adele Ratt von den kanadischen Cree -Indianer sagte, was im Augenblick mit ihrem Volk geschehe, sei ein schleichender Genozid, der nur durch massivsten Widerstand und Protest noch aufgehalten werden könne.
Die europäischen TeilnehmerInnen der Konferenz aus Belgien, Luxemburg, der Schweiz und der BRD haben, vor allem aufgrund dieser Berichte, beschlossen, den Anti-AKW-Bewegungen in Europa vorzuschlagen, eine Kampagne gegen die bundesdeutsche und französische Beteiligung im kanadischen Uranabbau zu führen. Die Uranerz GmbH in Bonn und die französische COGEMA sollten zum Rückzug aus den Minen Saskatchewan gezwungen werden.Die uranfördernden Länder Afrikas, vor allem Namibia, Gabun und Niger, haben es sowohl mit dem Uranabbau zu tun wie auch zunehmend mit dem Versuch der Nuklearstaaten, ihren radioaktiven Abfall in diesen Ländern loszuwerden. Das Beispiel Nigeria, über das in letzter Zeit berichtet wurde, steht nicht allein; in den westafrikanischen Ländern Benin und Elfenbeinküste soll Atommüll aus Frankreich gelagert werden, in Namibia eventuell bundesdeutscher. Die Konferenz beschloß, eine Resolution an die Vereinten Nationen zu schicken und ein absolutes Verbot der Lagerung von radioaktivem Müll in Ländern der „Dritten Welt“ und den indigenen Gebieten zu fordern. Südafrikanisches und namibianisches Uran findet, trotz weltweiter Boykottaufrufe, immer noch zu tausenden Tonnen seinen Weg in die Reaktoren der Industrieländer und die Bombenprogramme der Atomwaffenstaaten. Ein großer Teil dieses wie auch des kanadischen Urans wird in der Sowjetunion angereichert, die sowjetische Regierung wurde deshalb in einem Brief aufgefordert, diese Anreicherung zu beenden. Gleichzeitig sollen die Beziehungen zu Anti-Atombewegungen in den osteuropäischen Ländern vertieft werden.
Die internationale Urankonferenz war ein Teil der kanadischen Protest- und Widerstandsaktionen gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Toronto.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen