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Erforschung oder Erfassung?

Was der Kommissionsbericht zu Studien, Statistiken und Registrierung sagt  ■ D O K U M E N T A T I O N

Das Ziel epidemiologischer Untersuchungen ist die Ermittlung von Zahlen über die Verbreitung des Virus und der Krankheit in der Bevölkerung und zur Abschätzung der Entwicklung der Seuche, also der Zunahme oder Abnahme der Neuinfektionen pro Zeiteinheit. (...)

Die Kommission ist der Ansicht, daß Daten außer zur Beschreibung der Ausbreitung der HIV-Infektion und Aids -Erkrankung hauptsächlich notwendig sind

-für den Entwurf von Konzepten der (primären) Prävention,

-für die Fundierung einer optimalen Betreuung von HIV -Infizierten (sekundäre Prävention),

-für die Effektivitätskontrolle von Präventionsmaßnahmen,

-für die Ermittlung von Versorgungs- und Beratungskapazitäten,

-für die Abschätzung unter anderem der finanziellen Folgen der HIV-Infektion.

Die Kommission sieht ein Defizit der bisher betriebenen Epidemiologie in der weitgehenden Konzentration auf die Ermittlung und Beschreibung physiologischer Parameter, die meist nur durch wenige grobe demographische Angaben ergänzt werden.

Gerade für die Optimierung von Strategien der Infektionsverhütung (Primärprävention) ist es dagegen erforderlich, medizinische Cofaktoren, Faktoren der sozialen Lage und Schichtung sowie Variablen der Lebensweise und der psychosozialen Befindlichkeit verstärkt in die Forschung einzubeziehen.

Dies setzt sowohl strikte Regelungen hinsichtlich der Anonymität beziehungsweise Vertraulichkeit als auch eine vertrauensvolle Kooperation zwischen Medizinern und Sozialwissenschaftlern voraus. (...)

Epidemiologie hat angesichts ihrer zuvor beschriebenen Zielsetzung grundsätzlich anonymisierte Daten zu verwenden. Von diesem Grundsatz soll nur in begründeten Fällen abgewichen werden. (...)

Minderheitsvotum der Grünen

Die Fraktion der Grünen stellt das grundsätzlich verbriefte Recht des einzelnen auf informelle Selbstbestimmung grundsätzlich über das Sammeln von Daten zur bloßen Wissensmehrung. (...)

Grundsätzlich erteilen die Grünen der Ideologie der absoluten Transparenz des Menschen als Forschungsobjekt eine strikte Absage. Unreflektiertes Vertrauen, daß die wissenschaftliche Forschung umgehend alles möglich machen könne, steht in bezug auf Aids in krassem Gegensatz zu unserer relativen Hilflosigkeit dieser neuen Krankheit gegenüber.

Diese Diskrepanz kann die epidemiologische Forschung nur scheinbar überbrücken, weil Anlage, Durchführung und Ergebnis der Untersuchungen von den Forschungsinteressen abhängig sind. Die resultierenden Zahlen stellen keine objektiven Tatbestände dar, sondern bedürfen der Interpretation.

Nach Ansicht der Grünen führt die Förderung der Epidemiologie dazu, daß Menschen zu einer Entscheidung für den HIV-Antikörpertest gedrängt werden und es zu Tests ohne Einwilligung kommt. Aber gerade Menschen in persönlich äußerst stark belastenden Situationen, wie vor einer Testentscheidung, HIV-Infizierte und Aids-Kranke dürfen nicht zu Objekten der Wissenschaft werden.

Die Grünen halten anonyme Fallstatistiken HIV-positiver, Ergebnisse und Aids-Erkrankungen zur Abschätzung der Verbreitung der HIV-Infektion und der Aids-Krankheit und zur Abschätzung der Wirksamkeit präventiver Maßnahmen für sinnvoll. Die anonymisierte Registrierung einschließlich des jetzigen vertraulichen Aids-Fall-Berichtbogens muß wegen der Möglichkeit der De-Anonymisierung jedoch strikt abgelehnt werden.

Die in den Teilen II. und III. des Kapitels der Epidemiologie beschriebenen und geforderten epidemiologischen Methoden können von den Grünen nicht unterstützt werden.

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