Zwei schmale Rücken zum Zerdrücken

■ Erwin Koch-Raphael und Jens-Peter Ostendorf, Lehrkräfte im Musikstudiengang an der Uni, werden seit zwei Jahren in formalen „Kooperations„-Streitigkeiten zwischen Uni und HKM zerrieben

Seit zwei Jahren tobt ein - für Außenstehende etwas verworren wirkendes - personelles und institutionelles Hickhack zwischen dem Studiengang Musik an der Universität Bremen und der Hochschule für Musik. Leidtragende sind die beiden Lehrkräfte und renommierten Komponisten

Erwin Koch-Raphael und Jens-Peter Ostendorf, denen Ende Mai, als Höhepunkt des Konflikts, eine Änderungskündigung ins Haus geschickt worden ist, wirksam zum 1. Oktober 1988.

Zur Vorgeschichte: Die Musikhochschule, ehemals im Status eines Konservatoriums, wurde

1979 mit der damaligen Hochschule für Gestaltung organisatorisch zusammengelegt zur Hochschule für Kunst und Musik (HKM). Damit erlangte das Konservatorium formal den Status einer Fachhochschule. Um diesen Status auch inhaltlich auszufüllen, braucht die Musikhochschule einen Bereich Lehrerausbildung. Da an der Universität im Studiengang Musik bereits Lehrerausbildung betrieben wird, wurde 1980 auf Wunsch der senatorischen Behörde ein Kooperationsvertrag zwischen Musikhochschule und Uni geschlossen, um das beiderseitige Angebot der musikalischen Ausbildung zu erweitern und zu verbessern, die vorhandenen und künftig erforderlichen räumlichen und personellen Kapazitäten gemeinsam zu nutzen.

Konkret heißt das bisher: Die Musikhochschule, die noch keine eigene Lehrerausbildung bieten kann, nutzt für ihre Studenten den universitären Lehramtsstudiengang. Den erforderlichen Lehrkräftebedarf kann wiederum die Universität nicht decken, was dazu führt, daß manche Stellen - wie zum Beispiel die von Koch-Raphael und Ostendorf - zwar von der HKM eingeworben und bezahlt, aber zu 100 Prozent von der Universität genutzt werden. Das soll nun, im Fall jener beiden „Lehrkräfte für besondere Aufgaben“ (LfbA), die seit 1980 (Ostendorf) und 1983 (Koch-Raphael) Musiktheorie, -analyse und Komposition mit wöchentlich 18 Stunden unterrichten, anders werden - per Druck von der SKP, die mit Änderungskündigung eine formal-juristische Entscheidung erzwingen zu wollen scheint.

1986 wurde festgestellt - Ostendorf hatte bereits sechs Jahre, Koch-Raphael drei Jahre an der Uni unterrichtet -, daß die beiden nach HKM-Stundendeputat eigentlich je 21 Wochenstunden zu unterrichten und demzufolge künftig mit den sechs Manko

Stunden an die HKM zu gehen hätten. Das scheint auf den ersten Blick so verständlich wie logisch, hat aber mehrere Haken: In einem Gutachten, von der senatorischen Behörde angefordert und von Professor Jacobi in Hannover angefertigt, wird der Ausbildungsqualität an der Bremer Musikhochschule ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, und der Verdacht drängt sich auf, daß hinter dem plötzlichen Zugriff auf die jeweils sechs Unterrichtsstunden von Koch-Raphael und Ostendorf der Wunsch nach Aufpolierung des dürftigen Images der Musikhochschule steckt. Immerhin sind beide namhafte Komponisten: Jens-Peter Ostendorf hat unter anderem die Filmmusik zu „Yasemin“ und „Der Fall Bachmeier“ von Hark Bohm komponiert; Erwin Koch-Raphael war für das Bundesland Bremen Stipendiat der „Cite International des Arts“ in Paris, und sein „Klavierkonzert“ und „Septembertage“ wurde über die Grenzen Bremens hinaus berühmt.

Warum ist der Konflikt um die paar Stunden von Koch-Raphael und Ostendorf, die ja ohnehin formal der HKM zugeordnet sind, bis hin zur Änderungskündigung eskaliert? Koch-Raphael begründet seine Bedenken, ein sechs-Stunden-Deputat an der Hochschule für Musik zu erfüllen, vor allem damit, daß die Musikhochschule keinen konkreten Bedarf für die Lehrtätigkeit nachzuweisen hätte, daß es also schlicht um ein Prinzip geht, dessen Durchsetzung inhaltlich nicht begründet wird. Außerdem sagt Koch-Raphael, sein und Ostendorfs Fachgebiet - Komposition - würde traditionellerweise an Musikhochschulen von Professoren unterrichtet. Ostendorf und Koch-Raphael hingegen sind unabhängig von der fachlichen Kompetenz - „nur“ Lehrkräfte für besondere Aufgaben. Im Abschlußzeugnis eines Musikhochschulabsolventen nehme es sich

daher schlecht aus, wenn die überall geltende formale Qualifikation des Ausbildenden nicht erfüllt sei. Die Hochschule handle „verantwortungslos“, wenn sie das im Interesse der Studenten nicht berücksichtige.

Wie Koch-Raphael weiter sagt, seien er und Ostendorf nicht prinzipiell gegen einen teilweisen Unterricht an der HKM und hätten auch wiederholt, doch vergeblich Angebote zur konkret -inhaltlichen Auseinandersetzung gemacht. Nach zwei Jahren aber hatten sie vom rein formalen Hin und Her im Kooperationsausschuß die Nase so voll, daß sie beim Arbeitsgericht „Feststellungklage“ einreichten.

Am 8. März wurde ihnen in 1. Instanz recht gegeben: Ohne ihre Zustimmung sind sie nicht verpflichtet, eine Tätigkeit an der HKM zu verrichten. Daraufhin ging die senatorische Behörde in die Berufung und schickte den beiden - während das Urteil noch nicht rechtskräftig war - eine Änderungskündigung, die besagt, sie hätten sich zum 1.10.88 in der HKM einzufinden und den Unterricht dort aufzunehmen. Koch-Raphael und Ostendorf legten Widerspruch ein und müssen nun damit rechnen, ab 1. Oktober arbeitslos zu sein. Zwar kann von der nächsten Instanz des Arbeitsgerichts die Kündigung aufgehoben werden, doch das zieht sich im allgemeinen über Jahre hin.

„Mit Inkrafttreten der Novelle zum bremischen Hochschulgesetz wird die Hochschule für gestaltende Kunst und Musik die wesentlichen Voraussetzungen für eine künstlerische Hochschule erfüllen“ ist in den Pressemitteilungen des Senats vom 14.6.88 zu lesen. Diese Formalität muß freilich erst noch mit Inhalt gefüllt werden. Formal-juristische Domestizierungen machen die „Statusanhebung“ der HKM zur Spottgeburt.

Sybille Simon-Zülch