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Theater-Direktor kaufte Riesen-Flop

■ Die „große Idee“ eines computergesteuerten Karten-Kauf-Zentrums für 1,5 Mio. Mark Konzert-Veranstalter, SV Werder und Stadthalle wollen nicht mitmachen / Sparkasse muß bürgen

Er steht schon in Hamburg, der 1,5 Mio. teure Copmputer. „Ticket Master“ ist sein Name, und er soll ein Kartenvorverkaufs-System für das „Oberzentrum Bremen“ werden. Er soll das Schlangestehen an den Vorverkaufsstellen beenden und die Abwicklung des Vorverkaufs schnell und modern steuern.

Seit fünf Jahren wird daran gebastelt, lobte der Theater -Direktor Erich Dünnwald im März das Pilotprojekt, in 15 Sekunden kann jede Eintrittskarte erworben werden - „schon jetzt haben wir von den großen Hallen ebenso Anfragen wie wie von den Veranstaltern in der Bundesrepublik.“ Der Theater-Mann ist die treibende Kraft hinter dem System und gleichzeitig Geschäftsführer der Ticket-Service-GmbH (TSC), die den Computer am 1. März bestellt hat. Im August soll das Sy

stem fertig sein, so der Zeitplan der Computerfirma in Zürich. Im mündlichen Vorausbericht der Prüfgesellschaft „Bremer Treuhand“ wurde dem Unternehmen bei geringen Risiken Ausicht auf Erfolg bescheinigt, wenn die großen Veranstalter - Stadthalle, Werder Bremen, Born, KPS - mitmachen. Aufgestellt werden soll der Computer im Rechenzentrum des Weser-Kurier. In der Schalterhalle, die gerade umgebaut wird, soll auch eine Karten-Verkaufsstelle eingerichtet werden.

Allein - einen Vertrag hat bislang der Zeitungs-Verlag nicht abgeschlossen. Die Stadthalle hält die „große Idee“ (Direktor Heinz Seesing) schlicht für tot. Die Konzert -Agentur Born hat sich gerade für ein anderes Vorverkaufs -System entschieden. KPS ist sowieso nicht dabei, Wer

der Bremen hat die große Idee nie ernsthaft geprüft, denn wie Verbands-Vize Fischer der taz erklärte - die Karten werden durch den Service erheblich teurer, und das kann der Sportverein seinen Fans nicht zumuten.

Dasselbe Argument gilt für die Stadthalle. Denn seit Ende 1986 gibt es eine Konkurrenz für das „Master Ticket„-System: die Frankfurter Datenfirma „START“. Gesellschafterinnen sind u.a. Lufthansa und Bundesbahn. Über on-line ist START mit über 2.500 Reisebüros verbunden, und START hat eine Abteilung „KART“ für Veranstalter aller Art aufgemacht. Da kann jeder Kunde in jedem Ort der BRD ganz schnell im Reisebüro buchen - die Hamburger Theater sind alle angeschlossen, die Dortmunder Westfalenhalle und mit Boris Becker jetzt auch erstmals die

Bremer Stadthalle sind dabei.

Am 1. Juni haben sich die Abgesandten der Bremer Stadthalle in Dortund das System angeguckt, kurz verhandelt - am 13. Juni haben sie die erste Karte über Start verkauft. So einfach ging das, keine Investitionen, kein Risiko, schwärmt Heinz Seesing. Und START ist billiger für Veranstalter wie für Kunden. Denn bei START bezahlt der Veranstalter zwischen 0,80 und 1,15 Mark pro verkaufter Karte an die Daten -Gesellschaft, die Kunden zahlen die normale Vorverkaufsgebühr, bei „Bumbum“ sind das z.B. 6,6 Prozent.

Bei „Ticket Master“ würden die Veranstalter 5 Prozent vom Kartenpreis plus 1 Mark Kosten für das Daten-System bezahlen müssen, die Kunden zusätzlich 10 Prozent Vorverkaufsgebühr. Der Vielzahl von Verkaufsstellen von

START könnte „Ticket Master“ nur die telefonische Bestellung entgegensetzen - und die kostet nochmal fünf Mark mehr. Aber wer ruft aus Emden in Bremen an, um eine Karte zu bestellen, die es mindestens 10 Mark billiger im Emder Reisebüro gibt?

Auch die Treuhand-Gutachter halten inzwischen die „Große Idee“ der Bremer Ticket-Service-GmbH für tot. Damit würde auch nichts aus dem Zuschuß von 1,9 Mio. Mark, den das Wirtschaftsressort bei einem stimmigen Konzept versprochen hatte - immerhin 30 Prozent der Betriebskosten der GmbH aus den ersten drei Jahren sollte auf die Steuerzahler abgewälzt werden. Die Bürgschaft für den Computer, der längst gekauft ist und in der zweiten Juli-Woche nach Bremen geliefert wird, hat die Bremer Sparkasse unterschrieben.

K.W.

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