: Hirsch fordert zur Blockade auf
Friedensbewegung demonstriert vor Giftgaslager / Auch Ex-Verfassungsrichter begeht bewußt Straftat ■ Von Petra Bornhöft
Berlin (taz) - Ab Sonntag heißt es für die bundesdeutsche Friedensbewegung: „Sitzenbleiben in Fischbach“. In dem rheinlandpfälzischen US-Depot lagern einige hundert Tonnen alter Giftgas-Kampfstoffe, mit denen unsere amerikanischen Freunde problemlos die ganze Menschheit ins Jenseits befördern könnte. Darüberhinaus käme Fischbach in Frage als Lager für die seit Ende letzten Jahres in den USA produzierten neuen chemischen Waffen. Dabei handelt es sich um 1,2 Millionen sogenannte binäre Artilleriegranaten und 44.000 Sprühbomben, deren Produktion auf Hochtouren läuft. Mit einem schlichten „Njet“ verweigern die Amerikaner ihre Zustimmung zu einer C-Waffen-Abrüstung. Mit einem ebenso schlichten „Yes“ stimmte die Bundesregierung der Lagerung der chemischen Massenvernichtungswaffen „im Eventualfall“ in der Bundesrepublik zu.
In dieser Situation rufen 1.300 Menschen zu Demonstration, Kundgebung und Sitzblockaden vom 26.Juni bis zum 1.Juli vor den Toren des Depots Fischbach in der Nähe von Pirmasens auf. Mit ihrem Namen zeichnen sie bewußt verantwortlich für eine Straftat. Denn Anfang Mai meinte der 1.Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH), Sitzblockaden generell als „verwerfliche Gewaltanwendung“ im Sinne des Nötigungsparagraphen definieren zu müssen. Dieses BGH-Urteil bezeichnete der frühere Richter am Bundesverfas Fortsetzung Seite 2
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sungsgericht, Martin Hirsch, in einem taz-Interview als „juristisch katastrophal schlecht und außerdem verfassungswidrig“, weil der BGH gesetzeswidrig dem Motiv für eine Sitzblockade keine Bedeutung zugemessen habe. Hirsch, der seit seiner Schulzeit nicht mehr demonstriert hat, wird am Sonntag nachmittag auf der Kundgebung als Redner sprechen.
„Ich halte es einfach für meine Pflicht, da zu demonstrieren“, sagte Hirsch und sparte nicht mit Schelte für den BGH: „Eine so krasse Verletzung der Verfassung durch ein Gericht ist mir während meiner ganzen juristischen Tätigkeit nicht untergekommen“.
Der langjährige Hüter der Verfassung und die Friedensbewegung erhoffen sich von ihrer Aktion eine bundesweite Prozeßlawine.
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