Der kurze Auftritt des bösen John

■ Tennis in Wimbledon: Gestern begannen die Achtelfinals / Die Favoriten sind noch alle dabei Neben Boris Becker und Steffi Graf spielt noch Patrick Kühnen mit / McEnroe verlor die 2. Runde

Berlin (taz) - Nahezu unbemerkt ob des allgemeinen Rummels um die Fußball-Europameisterschaft spielen sich in einem Londoner Vorort Damen und Herrren seit einer Woche kleine Bälle zu. Die ersten Runden der All England Championships zu Wimbledon verliefen jedoch ohne die ganz großen sportlichen Sensationen: All jene, die zu den potentiellen GewinnerInnen gerechnet werden, sind noch im Rennen bzw. dem Achtelfinale, das gestern begonnen hat:

Männer: Lendl-Woodford, Mayotte-Leconte, Cash-Olschowski, Annacone-Becker, Connors-Kühnen, Youl-Edberg, Masur-Mecir, Zivojinovic-Wilander

Frauen: Graf-Fernandez, Minter-Paradis, Shriver-Maleeva, Garrison-Sabatini, Sukova-Potter, Adams-Evert, Zwerewa -Fairbank, Sawschenko-Navratilova.

So sorgte anfänglich einer für Schlagzeilen, der nach zweijähriger Wimbledon-Abstinenz mal wieder auf seinem Lieblingsgrund - dem Rasen - spielen wollte, und von dem niemand so recht wußte, was er zu leisten imstande ist: John McEnroe, „the big Mac“, der in den Jahren zuvor so trefflich den bösen Buben an der heiligen Tennisstätte gespielt hatte. Selbst die obligatorische Ehrenmitgliedschaft für die Sieger hatte man ihm hier verwehrt, bei einem Club, der mehr Wert legt auf eine korrekt ausgeführte Verbeugung vor der Loge der Herzogsfamilie von Kent als auf die Zauberschläge eines Amiboys. Doch für diese brauchte McEnroe den verbalen Clinch mit allen, die sich beim Match in erreichbarer Nähe befanden - gänzlich unmöglich und vor allem unbritisch.

Nun aber war er wieder da, und zwar weniger um zu gewinnen, als vielmehr dem einst aristokratischen Tennisspiel wieder jene edle Aura zu verleihen, die ihm zukommt. Denn die Akteure der Ära „nach McEnroe“ sind nach dessen Meinung allesamt Stümper, Rohlinge, Barbaren. „Die Roboter-Spieler töten das Tennis“, rief der edle Mac, und „Wimbledon rollte den roten Teppich für ihn aus“ ('The Mail‘), in Erwartung des Beweises, McEnroe habe wirklich „mehr Gefühl in einem Finger als Lendl in seinem ganzen Schlagarm“.

Der zungenfertige Auftakt hielt dann nicht ganz, was versprochen war: Bereits in der zweiten Runde war Schluß bei dem Australier Wally Masur, für 'The Mail‘ war die „Rückkehr des verlorenen Sohnes eine Reise der großen Traurigkeit“. Nicht einmal unflätig geschimpft hatte McEnroe ob seiner Niederlage, gerade für eine Verwarnung für einen Schlägerwurf reichte es. Und das Spiel? „Der schlägt ja 30 prozent langsamer als Steffi“, wunderte sich Günter Bosch. Abgang McEnroe.

Einer seiner Erben zeigte, daß man auf Rasen nur mit brachialer Gewalt zu etwas kommt. Boris Becker ließ in den ersten Runden 52 Asse übers Netz zischen und lauert nun wie die Zuschauer auf ein Viertelfinale gegen Vorjahressieger Pat Cash. Ansonsten erregte der Leimener vor allem Aufsehen durch die Weigerung, die Parkgebühr von 15 Mark zu entrichten, und bewies damit eindrücklich seine Herkunft aus dem Süden unserer Republik, wo man den Pfennig noch ehrt und die Mark dreimal umdreht, bevor sie ausgegeben wird.

Eher unerwartet erreichte Patrick Kühnen das Achtelfinale sein bislang größter Erfolg. Auf ihn wartet nun der 35jährige Jimmy Connors, der das Publikum zuletzt mit einem mehr als vierstündigen Fünfsatzmatch gegen seinen Landsmann Rostango entzückte und von der Presse mal als Rambo („Der zähnefletschende Straßenkämpfer von New York“ - 'Sunday Mirror‘), mal als Westernheld („Seine Augen wurden schmal, er zupfte an seinem Hemd, spuckte in die Hände...“ 'Express‘) gefeiert wurde.

Ausgeschieden hingegen ist Eric Jelen, und zwar gegen Slobodan Zivojinovic. Weil er aber dabei keine ganz schlechte Figur machte, wird er trotzdem neben Boris Becker im Davis-Cup spielen, am 22. bis 24. Juli gegen Jugoslawien mit eben jenem Zivojinovic. Team-Kapitän Niki Pilic hofft, daß Jelen „in Dortmund auf Teppich noch besser sein wird“, und der erzählte freudig, er würde jetzt endlich glauben, „was mir schon viele Leute erzählt haben: daß ich gutes Tennis spielen kann“.

Steffi Graf hingegen fehlte es weniger am Selbstbewußtsein als an starken Kontrahentinnen. Gewohnt hurtig beendete sie ihre Matches und murrte doch nach dem 6:3, 6:1 gegen Terry Phelps (USA), das sie ins Achtelfinale brachte: „Mein Gesamteindruck - knapper Durchschnitt.“

Thömmes