: Keine Zeit -betr.: "Landes-Grüne melden Ansprüche", taz vom 2.6.88, S.2
betr.: „Landes-Grüne melden Ansprüche an“, taz vom 21.6.88, Seite 2
Die Grünen Rheinland-Pfalz sind keine kritischen Realos und gehören auch sonst keiner alternativen Sekte aus der Kirchengeschichte der westdeutschen Linken an. Der Landesverband wie der Landesvorstand orientierten sich nach wie vor am Grundkonsens der Partei, den Prinzipien „ökologisch - sozial - gewaltfrei - basisdemokratisch“. Daß es im Einzelfall wie bei der Mindeststrafe bei Vergewaltigung oder der Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Bewegungen und/oder Parteien Diskussionen über Inhalte und Strategien gibt, ist für eine basisdemokratisch orientierte Partei selbstverständlich.
Wichtig aber ist, daß dieser Diskurs ebenfalls nach basisdemokratischen Prinzipien geführt wird, daß also nicht „Kader“ jeglicher Couleur mit öffentlichem Druck über die Presse oder mit formalen Auseinandersetzungen Meinung in der Partei erzwingen, sondern daß durch breite Beteiligung aller Mitglieder und interessierter gesellschaftlicher Gruppen überzeugende und überzeugte Mehrheiten erarbeitet werden. In solchem Konsen liegen Begeisterung und Schlagkraft einer Partei und nicht im zermürbenden Alltagsgeschäft diplomatischer Kleinkriege, die sich an der maskenhaften Struktur unserer „schönen, neuen Welt“ in Wirtschaft und Medien orientieren.
Daher unterstützen die Grünen Rheinland-Pfalz sowohl eine Ausrichtung politischer Diskussion an grünen Prinzipien wie ökologischer und sozialer Perspektive als auch an eine stärkere Einbindung der politisch verantwortlichen Landesvorstände in die Bundesdiskussion.
Statt mit Worthülsen aus der Mottenkiste politischer Bewegungen des 19. Jahrhunderts (...) Spiegelfechtereien auf dem Medienparkett vorzutanzen, stünde es an, das Neue im grünen Konsens näher zu bestimmen, so eine Definition des Lebensbegriffs, mit dem emotional ständig operiert wird, abseits von biologistischen oder technokratischen Interpretationen, und ein Aufgreifen der nicht überlebten, verschütteten Bestandteile alter politischer Strömungen wie Heimatgefühl/Heimatbewußtsein, genossenschaftliche Selbsthilfe und Recht auf Selbstbestimmung, das sein Pendant im Wunsch nach breitem Diskurs und überzeugten Mehrheiten hat. (...)
Auch die konkret anstehenden Probleme in Rheinland-Pfalz erfordern unsere ganze Kraft, so die Sondermülldiskussion und die Durchsetzung einer sanften Chemie, die Einführung der UVP nach EG-Recht und die Erweiterung landespflegerischer Planungsrechte, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Beschäftigungsprogrammen, Selbsthilfeprojekten und die Durchsetzung einer sozialen Grundsicherung, der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, der Ausstieg aus der Atomindustrie und die Entmilitarisierung unseres Landes. Dazu sind uns alle parlamentarischen und außerparlamentarischen Mittel recht, die sich an unserer Grundüberzeugung einer ökologischen, sozialen, basisdemokratischen und gewaltfreien Politik orientieren. Für Spaltungsversuche, Postengerangel etc. haben wir keine Zeit, keine Lust und auch kein politisches Verständnis.
Volker Galle, Vorstandssprecher, Die Grünen Rheinland-Pfalz
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