piwik no script img

Dialektik der Macht

Die Allunionskonferenz hat die Trennung von Staat und Partei in der Sowjetunion noch nicht vollzogen  ■ K O M M E N T A R E

Kernstück der Rede Gorbatschows zum Auftakt der Allunionskonferenz ist zweifellos die angekündigte scharfe Trennung von Staat und Partei gewesen. Die Rolle der Sowjets als Vertretung des gesamten Volkes soll gegenüber der Partei gestärkt werden. Künftig werden sich nämlich alle Kandidaten zur Wahl stellen und Funktionsträger nur noch fünf Jahre lang im Amt bleiben. Und die vorgesehene Stärkung des Vorsitzenden des Sowjets gegenüber dem Generalsekretär der Partei ist ein wesentlicher Einschnitt in der sowjetischen Verfassungswirklichkeit. Die Partei soll ein Stück entmachtet werden.

Das geht natürlich nicht ohne Widerspruch. Wenn die von Gorbatschow gebrauchte Formel, daß sich die „Meinung jener Genossen, die den Standpunkt vertreten, die Rolle der Sowjets ... (sei) ... durch die Partei zu stärken“, am Ende des Kongresses durchsetzen sollte, ist ein Kompromiß verabschiedet, der weder den Konservativen noch den Reformern richtig hilft.

Der Widerspruch steckt nämlich darin, daß nach diesem Passus die Parteisekretäre auf allen Verwaltungsebenen gleichsam automatisch zu Vorsitzenden der Sowjets gewählt werden. Damit wären die Sowjets doch wieder die alten Kontrolleure der Kontrolleure. Auch wenn in Gorbatschows Rede das Hintertürchen offengelassen ist, daß die Parteisekretäre bei der geheimen Wahl durchfallen können, ist mit einem solchen Kompromiß die Trennung von Staat und Partei, die von manchem in ihrer historischen Bedeutung mit der aufklärerischen Trennung von Staat und Kirche verglichen wird, nicht vollzogen. Für die Reformer kommt es jetzt darauf an, diesen Passus zu Fall zu bringen.

Barbara Kerneck / Erich Rathfelder

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen