: Vorverurteilung der Airbus-Piloten
■ Untersuchungsrichter kritisiert die französischen Behörden / Verteidigungsministerium zieht die Ermittlungen des Unglücks an sich / Piloten attackieren Technik des A-320
Mülhausen (afp) - Die Ermittlungen zur Aufklärung des Absturzes des Airbus-320, bei dem am Sonntag bei Mülhausen drei Menschen getötet und über 100 verletzt wurden, hat eine heftige Kontroverse ausgelöst. Der Mülhausener Untersuchungsrichter Germain Sengelin zeigte sich am Mittwoch abend „erstaunt“ über die Tatsache, daß die Ermittlungen in die Hände der Luftfahrtbrigade der Gendarmerie gelegt wurden, einer Einheit des Verteidigungsministeriums. In Justizkreisen wurde daran erinnert, daß es beim Pariser Innenministerium eine spezielle Luftfahrtabteilung gibt, die auf Ermittlungen dieser Art spezialisiert ist.
Kritik äußerte der Richter auch an dem Umstand, daß die zuständigen Behörden bereits einen Tag nach dem Absturz eine technische Panne ausschlossen und die Piloten für den Unfall verantwortlich gemacht hatten. Die beiden Piloten seien auf der Grundlage von nur bruchstückhaften Ermittlungselementen öffentlich an den Pranger gestellt worden, betonte er. Sengelin erinnerte daran, daß nur eine detaillierte Untersuchung, die vermutlich mehrere Wochen in Anspruch nehmen wird, genauen Aufschluß über die Absturzursache geben kann. Auch in französischen Luftfahrtkreisen zeigte man sich erstaunt über die „sehr schnelle“ Auswertung der Flugschreiber.
Die beiden Piloten des abgestürzten Airbus-320 beharren darauf, daß technische Pannen für den Unfall verantwortlich waren. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe der Behörden wiesen sie zurück. Chefpilot Hasseline und sein Copilot Mazieres sagten jetzt aus, die Bordinstrumente hätten kurz vor dem Absturz eine Höhe von 100 Fuß - etwa 30 Meter - angegeben. Tatsächlich flog der Airbus-320 zu diesem Zeitpunkt aber nur in etwa zehn Meter Höhe - und damit viel zu niedrig - wie die Auswertung der Flugschreiber ergeben hatte. Der 44 Jahre alte Hasseline hielt nach Angaben des Staatsanwalts auch an seiner Aussage fest, die Triebwerke hätten erst verspätet reagiert, als er mit seinem Stick über den Computer Schub gab. Der Schub war mehrere Sekunden zu spät erfolgt, so daß der Steigflug nicht mehr eingeleitet werden konnte.
Die Forderung der Pilotengewerkschaften, in dem Untersuchungsausschuß mitarbeiten zu dürfen, wurde abgelehnt. Die Gewerkschaften zweifeln die offiziellen Angaben über die Unfallursache an und machen ebenfalls technische Pannen für den Absturz verantwortlich. Die Piloten seien erfahrene Ausbilder bei „Air France“.
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