Junge Union fordert Kohls Kopf

■ Koalition rückt von steuerfreiem Flugbenzin wieder ab / Auch Strauß soll nicht mehr darauf beharren / Uneinigkeit über Finanzierung des Albrecht-Plans / Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden nicht erhöht

Frankfurt (ap) - Unter dem massiven Druck der rebellierenden Parteibasis von CDU und CSU rückt die Bonner Koalition von der umstrittenen Steuerbefreiung des Flugbenzins wieder ab. Helmut Kohl und Heiner Geißler stellten am Wochenende Ersatzlösungen für den Beschluß des Bundestags in Aussicht, Hobbypiloten die Mineralölsteuer zu erlassen. Angeblich soll sich auch der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß einer derartigen Alternative nicht mehr verschließen. Die Kritik an den bisherigen Bonner Plänen zum Flugbenzin in den Reihen der Union gipfelte am Wochenende in Parteitagsbeschlüssen und sogar einer Rücktrittsforderung an Bundeskanzler Kohl.

Auf dem Landestag der Jungen Union Baden-Württemberg in Meersburg am Bodensee fand ein entsprechender Antrag des Bezirksverbands Südbaden am Samstag abend eine Mehrheit von 104 zu 66 Stimmen. Die CDU-Nachwuchsorganisation warf Kohl Führungsschwäche vor. Ein Neubeginn sei nur ohne ihn möglich. Zahlreiche Delegierte hatten auf dem Kongreß kritisiert, daß sich der Kanzler bei der geplanten Steuerbefreiung für Flugbenzin vom Koalitionspartner CSU habe erpressen lassen. Die Bevölkerung akzeptiere den Regierungschef nicht mehr. Die Solidarität der Partei zur Bundesregierung sei überstrapaziert. Der baden -württembergische Ministerpräsident Lothar Späth und Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble hatten die Delegierten zuvor vergeblich vor der Rücktrittsforderung gewarnt.

Auch der Landesparteitag der rheinland-pfälzischen CDU lehnte am Samstag in Bad Dürkheim die vorgesehene Steuerbefreiung für Flugbenzin der Privat- und Hobbyflieger bei lediglich einer Gegenstimme ab. Der CSU-Kreisverband München wandte sich ebenfalls gegen diesen Plan.

Die 'Welt am Sonntag‘ berichtete, die Koalition habe sich darauf geeinigt, die Steuerbefreiung für Flugbenzin am kommenden Freitag zunächst wie geplant bei der Verabschiedung der Steuerreform im Bundesrat passieren zu lassen. Doch seien die Koalitionsspitzen übereingekommen, die Steuerfreiheit im Herbst durch eine Änderung des Mineralölsteuergesetzes wieder rückgängig zu machen.

Bonn (ap) - Die Bonner Koalitionsparteien wollen auf eine Anhebung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verzichten. In einem rund dreistündigen Koalitionsgespräch mit den Parteivorsitzenden Kohl, Bangemann und Strauß über den Haushalt 1989 und die mittelfristige Finanzplanung seien „einvernehmliche Vorschläge“ vereinbart worden, die den Koalitionsgremien am Montag vorgelegt werden sollen, sagte Finanzminister Gerhard Stoltenberg am Freitag abend vor Journalisten.

Demnach soll das Defizit bei der Bundesanstalt für Arbeit durch Kürzungen bei den Ausgaben und „steuerliche Maßnahmen“ beim Bund beseitigt werden. Zudem verständigten sich die Koalitionspartner auf Hilfen an finanzschwache Bundesländer, die aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden sollen. Zu der „exakten Größenordnung“ wollte er sich mit Rücksicht auf die Fraktionsentscheidungen nicht äußern. Albrecht hatte Strukturhilfen von drei Milliarden Mark im kommenden Jahr gefordert.

Das Ausgabenwachstum des Haushalts wird nach Stoltenbergs Darstellung im kommenden Jahr mit 2,9 um 0,4 Prozent höher ausfallen als ursprünglich geplant. Die vereinbarten Maßnahmen gewährleisten nach seinen Angaben, daß das Defizit des Bundeshaushalts von knapp 40 Milliarden Mark in diesem Jahr im Jahr 1989 „erheblich“ reduziert werden könne.