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Bakterien gegen Robbensterben

■ Dritte biologische Klärstufe in Seehausen frühestens in den 90er Jahren / Umweltsenatorin will Gutachten und Finanzierung abwarten / Höhere Gebühren für Haushalte

Bremisches Verwantwortungsbewußtsein für Algenpest und Robbensterben demonstrierte gestern Umweltsenatorin Eva -Maria Lemke-Schulte. Ihre Erkenntnis: „Die Weser fließt in die Nordsee.“ So bald wie möglich will die Senatorin deshalb dafür sorgen, daß Urin-, Gülle-, Waschmittel- und Düngemittelrückstände aus bremischen Betrieben und Haushalten nicht mehr zur Nordsee-Verschmutzung beitragen. „So bald wie möglich“ heißt: frühestens im nächsten Jahrzehnt. Bis 1990 wird es mindestens noch dauern, bis der erste Spatenstich für eine dritte biolgische Klärstufe im Klärwerk getan werden kann.

Jährlich 2.600 Tonnen Stickstoff- und rund 660 Tonnen Phosphor-Verbindungen schwimmen durch Bremens Abwässerkanäle derzeit noch in die sterbende Nordsee. Für 1,7 Millionen Mark läßt die Umweltsenatorin seit zwei Jahren untersuchen, wie diese Giftfracht reduziert werden

kann. Gutachter und „Architekt“ einer Versuchsanlage im Klärwerk Seehausen ist der Hannoveraner Professor für Siedlungswasser-Wirtschaft, Carl Franz Seyfried. Journalisten demonstrierte Seyfried gestern anhand einer kleinen Pilotanlage, wie aus einer faulig-dumpf riechenden Brühe wieder sauberes Weserwasser werden könnte: Durch Bakterien, die Schadstoffe fressen wie Hamster Haferkleie. „Nitrosomonas“ und „Nitrobakta“ heißen die beiden Wundertierchen in den Versuchs-Bottichen des Klärwerks, die langfristig einen Beitrag zum Erhalt der Nordsee leisten sollen. Allerdings: Frühestens Ende dieses Jahres sollen die Meßreihen ausgewertet sein und die Planungen für die Großanlage beginnen. Abwassertechnologien, so die Senatorin, ließen sich nämlich nicht „von der Stange“ kaufen, sondern müßten maßgeschneidert werden.

Der Bremer „Klärwerks-Maß anzug“ wird mindestens 100 Millionen kosten. Im laufenden Haushalt ist davon noch keine einzige Mark eingeplant. Im Senat hat Lemke-Schulte allerdings schon schonend angedeutet, was auf die Landesregierung demnächst an Kosten für den Umweltschutz zukommt. Zur Kasse für die neue Klärstufe würde die Senatorin gern auch Bundesumweltminister Töpfer bitten. Der allerdings hat bislang keine Anstalten gemacht, sich mit einem Milliardenprogramm an der flächendekkenden Modernisierung hunderter deutscher Kläranlagen zu beteiligen. Kosten für eine sauberere Nordsee werden schließlich auch auf alle BremerInnen zukommen. 30 bis 50 Prozent höhere Abwasserabgaben werden auf alle Haushalte zukommen, wenn das Wasser sauberer werden soll. Immer noch billig, meint Abwasserexperte Carl Franz Seyfried, und im Monat nicht teurer als eine Tageszeitung plus Stern und Spiegel.

K.S.

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