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Wenn es in den nächsten Wochen nicht regnet...

Von Ohio bis Mississippi, von Montana bis Georgia dörrt eine gnadenlose Sonne den Boden und die Wasserläufe aus / In 37 der 50 US-Bundesstaaten sind weite Landstriche zu notleidenden Zonen erklärt worden / Die größte Dürre seit fünfzig Jahren bedroht inzwischen auch die Trinkwasserversorgung  ■  Aus Ohio Stefan Schaaf

Das Bonanza-Steakhouse ist das eleganteste, was die Kleinstadt Jackson im Südosten Ohios seinen Bewohnern zu bieten hat. Der Gast wird zunächst von einer großen, bunten und von hinten beleuchteten Plastiktafel geblendet, die über der Kasse hängt und die erhältlichen Kombinationen von Fleisch, Kartoffeln und Gemüse aufzählt. Lange Zeit zum Studium ist nicht, die Schlange drängelt, und die uniformierte Dame mit dem kleinen Bestellblock wird ungeduldig. Ich entscheide mich und halte ihr einen Zwanzigdollarschein entgegen, werde jedoch barsch durch einen schmalen Gang an die Getränketheke geschickt, von wo ich mich dann zur Kasse begeben darf. Mich beschleicht das dumpfe Gefühl, daß die lokale Gastronomie ihre Gepflogenheiten von der Massentierhaltung abgeschaut hat.

Der erdacht verstärkt sich, als ich Jacksons Familien, einträchtig Grünzeug auf ihre Teller schaufelnd, an der mehrere Meter langen Salatbar stehen sehe, die im Preis inbegriffen ist und von der man so viel nehmen darf, wie man in sich hineinbekommt. Sanfte Musik, wie in einigen experimentellen Kuhställen bereits erprobt, rieselt aus Deckenlautsprechern und steigert auch hier das Wohlbefinden und den Stoffwechsel.

Rindviecher, das ist eindeutig, bestimmen das Leben und die Sitten in dieser idyllischen Gegend. Die Straßen haben nur zwei Spuren, die Flasche Bier in der Kneipe kostet nur einen Dollar. Die Ortschaften sind klein und intakt, und die Geschäfte sind noch säuberlich die Main Street entlang angesiedelt anstatt in Shopping Malls auf der grünen Wiese. Dabei ist der Vorrat an grünen Wiesen schier unerschöpflich, grüne Wiesen, grüne Felder und grüne Hügel, soweit das Auge reicht. Denkt das naive Großstadtkind. Natürlich sieht es nicht, daß die braunen Flecken auf der grünen Wiese von Tag zu Tag größer werden und daß das Heu und der Mais bereits im Juni aufgehört haben zu wachsen. „Der Mais müßte so hoch stehen“, sagt Gene Baltheser von der landwirtschaftlichen Versuchsfarm am Stadtrand von Jackson und reibt mit seiner flachen Hand an seinem Hosengürtel hin und her. Doch die grünglänzenden Blätter der Maispflanzen haben allenfalls Kniehöhe erreicht. „Wir brauchen gut dreißig Zentimeter Regen bis Ende August, um das auszugleichen“, meint er. Dabei sind seit Anfang des Jahres bloß zwanzig gefallen. „Unsere Chancen stehen bei fünf Prozent. Und wenn es in den nächsten zwei Wochen nicht regnet, wird es keine Befruchtung der Maispflanzen geben, und sie werden gar keine Kolben entwickeln.“

Hat er Angst vor einer Wiederholung der großen Dürre der dreißiger Jahre? „Ich bin zu jung, um sie miterlebt zu haben, aber mein Vater erinnert sich daran. Er sagt, es sei noch nicht so schlimm wie damals, aber es geht in die Richtung. Wir haben hier jetzt das zweite trockene Jahr, damals waren es aber drei Jahre hintereinander, in denen es nicht regnete.“ Hier, im südöstlichen Ohio, sieht es noch nicht so schlimm aus, doch anderswo im amerikanischen Farmgürtel, vor allem im Nordwesten der USA, in Montana oder Nord- und Süd-Dakota, ist der Boden so ausgedörrt, daß der Mutterboden bereits in Staubwolken weggeblasen wird.

In 37 der fünfzig Bundesstaaten sind weite Landstriche wegen der Trockenheit zu notleidenden Zonen erklärt worden; Ohio ist vollständig betroffen. Der Trockengürtel erstreckt sich im Norden von Montana bis nach Ohio und dann quer durchs Land in die Südstaaten zwischen Texas und Georgia. Die Konsequenzen sind umfassend: Heu wird knapp und teuer, Sojabohnen und Mais steuern auf Mißernten zu, der Hafer verdorrt knapp über dem Boden, denn künstliche Bewässerung läßt sich kaum noch bewerkstelligen.

Die steigenden Preise für diese Anbaugüter schlagen zuerst auf die Viehzüchter durch, im nächsten Jahr auch auf die Verbraucher. Die Wasserknappheit macht den Rinderfarmern zusätzliche Schwierigkeiten, ihnen fehlt nicht nur Heu zum Füttern, sondern inzwischen auch Wasser zum Tränken der Rinder. Besonders im Westen, jenseits der Rocky Mountains, fehlt Regen zum Auffüllen der Trinkwasserreservoirs, aus denen die großen Städte an der Küste ihren Bedarf stillen.

Schon im letzten Jahr blieb der Regen aus und ließ die Seen und Flüsse austrocknen. Die Wälder der Sierra Nevada waren so ausgedörrt, daß riesige Flächen abbrannten. In diesem Jahr, nachdem auch der Winter zu wenig Schnee brachte, müssen die Brandwächter bei jedem Gewitter neue, noch verheerendere Waldbrände befürchten.

Die Trockenheit hat die Debatte über den wildwachsenden Durst von Mega-Städten wie Los Angeles oder den Millionärs -Oasen wie Palm Springs angefacht, in denen mit kurzsichtiger Rücksichtslosigkeit die Swimmingpools gefüllt und die Golfplätze gewässert werden. Bisher ist niemand dem Beispiel Arizonas gefolgt, wo steigende Tarife für Großverbraucher den Wasserkonsum deutlich zurückgeschraubt haben.

In Kalifornien wird obendrein kostbares Naß zur Bewässerung von landwirtschaftlichen Überschußprodukten wie Baumwolle vergeudet, die hinterher mangels Nachfrage nur von der Regierung mit Steuergeldern aufgekauft werden müssen.

In New Orleans schafft der fallende Wasserspiegel des Mississippi noch andere Probleme: Das Salzwasser aus dem Golf von Mexiko drängt den Flußlauf hinauf und wird spätestens Mitte Juli die Trinkwasserqualität beeinträchtigen.

Die Trockenheit trifft die US-Landwirtschaft zu einem Zeitpunkt, an dem sie sich gerade aus einer fünfjährigen schweren Krise wieder herausgearbeitet hat. Die Handelsbilanz der USA ist von landwirtschaftlichen Exporten abhängig, die dank eines schwächeren Dollars in den letzten Jahren kräftig zugenommen hatten. In diesem Jahr wird der Weltmarkt aber nicht von amerikanischem, sondern vor allem von europäischem Getreide bestimmt werden. Von den steigenden Preisen profitiert vor allem die Europäische Gemeinschaft, weil bei höheren Weltmarktpreisen weniger Exportsubventionen gezahlt werden müssen.

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