: Sowjetische Truppen weiterhin in Eriwan
■ TASS spricht von „Normalisierung der Lage“ in Armenien
Moskau (dpa/afp) - Sowjetische Truppen sollen am Samstag den Theaterplatz in Eriwan abgeriegelt haben. Soldaten und Panzer stünden an den großen Straßenkreuzungen, berichtete die Schriftstellerin Silvia Kaputikian. Die sowjetische Presse meldete dagegen gestern, die Lage habe sich weitgehend normalisiert. Bereits am Freitag hatte der Oberste Gerichtshof der UdSSR entschieden, daß die Prozesse wegen der Pogrome in Sumgait nicht in Aserbeijdschan, sondern in der Russischen Föderativen Republik stattfinden sollten. Zahlreiche Armenier sollen dieses Entgegenkommen jedoch für unzureichend halten. Nach übereinstimmenden Berichten wurde am Samstag in mehreren Betrieben weiterhin gestreikt.
Frau Kaputikian zufolge sollen sich inzwischen zahlreiche armenische Intellektuelle von dem radikalen „Karabach„ -Komitee abgesetzt haben, das sich in Eriwan weiter als „Streikkomitee“ verstehe. Der anti-russische Ton, den die Bewegung angenommen habe, repräsentiere „nicht die armenischen Gefühle“, sagte sie. Sie befürchte, daß „Provokateure“ von der gegenwärtigen Spannung zu profitieren suchten, denn die Armenier seien zur Zeit bereit, „jedem Aufruf zu folgen“.
Auf dem armenischen Friedhof in Moskau diskutierten am Sonntag mehrere hundert Armenier über den Armee-Einsatz in Eriwan. Augenzeugen von der gewaltsamen Räumung des Flughafens am Dienstag berichteten, die Soldaten hätten den Demonstranten nicht eine Minute Zeit gelassen, sich zu zerstreuen. Ein Priester kritisierte die „barbarische Gewalt“ der Armee und bezeichnete den Einstz als „großen Irrtum“. Inzwischen ist die US-Botschaft in Moskau angewiesen worden, die Vergabe von Visa für ausreisewillige Sowjetbürger - insbesondere Armenier - zu unterbrechen. Als Begründung wurde angegeben, daß die erforderlichen Gelder bis zum Beginn des neuen Haushaltsjahres am 1. Oktober fehlen. Der Sprecher des Weißen Hauses, Fitzwater, nannte dies eine „unglückliche Situation“, die „so schnell wie möglich“ geklärt werden solle. Zur Zeit haben über 5.000 Sowjetbürger Visa für die USA beantragt.
In Litauen kamen am Samstag laut TASS 100.000 Menschen zu einer Kundgebung zusammen, auf der die litauischen Delegierten zur Allunions-Konferenz sprachen. Sie berichteten, ihr Ruf nach größerer Autonomie habe auf der Moskauer Konferenz offene Ohren gefunden.
ef
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