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Bauen in der Grauzone

■ SPD-Baustadträte üben heftige Kritik an der Baupolitik des Senats / Langsame Bürokratie und zu hohe Preise / Mieterinteressen werden umgangen

Niederschmetternd war die Bilanz der SPD-Baustadträte Saager (Schöneberg) und Lüdtke (Wedding), die diese gestern auch im Namen ihrer drei SPD-Kollegen zur Baupolitik des Senats zogen: Baugenehmigungen würden zumeist in der „rechtlichen Grauzone“ der Befreiung erteilt, Bebauungspläne nicht schnell genug festgesetzt, zudem sei die Öffentliche Hand gebeutelt durch rapide steigende Baupreise Berliner Firmen.

Neulich sei ein Auftrag zur Grundsanierung eines Gebäudes zu dem für 1987 üblichen Preis von zehn Millionen ausgeschrieben worden. Der billigste Berliner Anbieter hatte 14 Millionen verlangt, das billigste Angebot aus Westdeutschland, das die Öffentliche Hand allerdings nicht annehmen darf, liege bei 10 Millionen. Saager und Lüdtke führen dies auf volle Auftragsbücher der Firmen zurück. Im sozialen Wohnungsbau, wo die Bauherren privat sind, sind allerdings die Baupreise gesunken.

Unzufrieden sind Saager und Lüdtke auch mit dem Tempo, daß die Senatsbauverwaltung an den Tag legt, wenn es darum geht, Bebauungspläne festzusetzen. 1987 seien von 95 entscheidungsreifen Bebauungsplänen nur 17 festgesetzt worden. Das habe zur Folge, daß entweder der inzwischen veraltete Baunutzungsplan von 1958 als Grundlage für Bauvorhaben genommen werden müßte, oder daß Befreiungen erteilt werden müßten, oder gar Genehmigungen nach den vagen Formulierungen des §34 des Baugesetzbuches. Der Nachteil für Bewohner und Betroffene: Bei diesen Genehmigungen, aber auch bei Befreiungen ist weder eine Bürgerbeteiligung vorgesehen, noch gibt es eine durchschaubare Rechtsgrundlage. Statt dessen werde mit dem Bauträger um die Planung verhandelt. Baustadtrat Saager sieht da „kriminogene Situationen“ und benachteiligte Mieter: Beispielsweise habe der Bausenator ihn angewiesen, ein Eckhaus an der Martin-Luther-Straße auf dem Befreiungsweg zu genehmigen. Die angrenzenden Mieter, die dann ihre Südbalkone verlieren würden, haben kein Mitspracherecht.

Ständiger Dissenz zwischen SPD-Bezirken und Senat ist die Genehmigung des Ausbaus von Dachgeschoßwohnungen: Der Senat erteilt diese regelmäßig auf dem Befreiungsweg, trotz eines Verwaltungsgerichtsurteils und eines eigenen Gutachtens, die diese Praxis für rechtswidrig erklären. Die Bezirke wollen Dachgeschosse nur in Einzelfällen ausbauen lassen, wenn Stellplatzfragen geklärt sind und die Nahversorgung für das Gebiet ausreicht.

Der Sprecher des Bausenators, Weninger, erklärte, durch zusätzliches Personal hätte man bereits dieses Jahr Bebauungspläne schneller bearbeiten können. Über die hohen Baupreise sei auch der Senat „nicht glücklich“.

esch

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