: USA zücken Protektionismus-Karte
Handelspolitisches „Ermächtigungsgesetz“ zur Disziplinierung der Konkurrenzländer vom amerikanischen Repräsentantenhaus gebilligt ■ Von Kurt Zausel
Berlin (taz) - Die USA haben ein neues Handelsgesetz. Nachdem der letzte Anlauf Anfang Juni am Veto von Präsident Reagan gescheitert war, hat das von den Demokraten dominierte Repräsentantenhaus mit der überwältigenden Mehrheit von 376 zu 45 Stimmen das in zweijähriger Arbeit zusammengebastelte Handelsgesetz gebilligt. Die damals von Reagan bemängelten Passagen über eine gesetzlich vorgeschriebene Ankündigung von Betriebsschließungen sowie über die Beschränkung von Öllieferungen aus Alaska wurden aus der neuen Vorlage entfernt. Allgemein wird damit gerechnet, daß das neue Gesetz nach der zu erwartenden Billigung durch den Senat auch die Zustimmung von Reagan erhalten wird. Das ausgegliederte Arbeitsgesetz, wonach Unternehmen ihre Arbeiter über Werkschließungen oder Massenentlassungen 60 Tage im vorhinein informieren müssen, wurde ebenfalls gebilligt.
Mit dem neuen Gesetz ist der US-Administration ein harter protektionistischer Knüppel an die Hand gegeben. Erinnerungen an das Smoot-Hawley-Gesetz von 1930 werden jetzt wachgerufen. Die damals unter dem Zeichen der Großen Depression eingeführten Importbeschränkungen und Einfuhrzölle haben wesentlich zu der Auslösung eines internationalen Handelskrieges und dann zur Desintegration der kapitalistischen Weltwirtschaft beigetragen. Auch heute sind es wieder ökonomische Nöte, die zu der handelspolitischen Defensive der USA geführt haben.
Seit Jahren weisen die USA Defizite in der Handelsbilanz von jährlich weit über 100 Milliarden Dollar auf. Weil die US-Industrie im letzten Jahrzehnt viel von ihrer einstmalig überlegenen Konkurrenzposition gegenüber ausländischen Anbietern verloren hat, ist eine Reduzierung des Handelsbilanzdefizits allein durch eine wechselkurspolitische Begünstigung der eigenen Exporte sehr wenig wahrscheinlich. Das Handelsgesetz stellt deshalb auch Instrumente bereit, mit denen die Importe der USA eingedämmt werden sollen. Kern des Gesetzes ist die Erweiterung der Kompetenzen des Weißen Hauses sowie des Handelsbeauftragten, die künftig wirksamer gegen Konkurrenzländer vorgehen können, denen seitens der USA Protektionismus und unfaire Handelspraktiken vorgeworfen werden. Gemeint sind damit vor allem die südostasiatischen Schwellenländer, Japan und die Bundesrepublik sowie der EG-Agrarmarkt.
Den Unternehmen dieser Länder, gegenüber denen die USA die höchsten Handelsdefizite aufweisen, werden Dumpingpreise und wettbewerbsverzerrende Subventionen vorgeworfen. Mit den Regelungen des neuen Gesetzes soll es möglich werden, gegen solche Länder Untersuchungen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einzuleiten, die von Kontingenten, Importzöllen bis zu Einfuhrbeschränkungen reichen. Im Agrarsektor sollen die einheimischen Exporte stärker subventioniert werden dürfen - eine etwas paradoxe Klausel, fordern doch die USA seit Jahren bei internationalen Konferenzen eine vollständige Abschaffung aller landwirtschaftlichen Subventionen bis zum Jahr 2000. Die ungebrochene Arroganz der US-Politicos spiegelt sich auch in der im Handelsgesetz enthaltenen Ermächtigung wider, wonach die US-Regierung Sanktionen gegenüber ausländischen Unternehmen verhängen darf, die das US-Exportkontrollgesetz oder die COCOM-Regeln mißachten.
Zu so viel wirtschaftspolitischem Neo-Imperialismus paßt denn auch gut der im Freudentaumel über das Abstimmungsergebnis geäußerte Spruch des demokratischen Abgeordnete Dan Rostenkowski: „Der Kongreß sendet der Welt und dem amerikanischen Volk heute diese Botschaft: Wir werden nicht ruhen, bis diese Nation ihre hervorragende Stellung im Welthandel wieder erreicht hat.“ Völker, höret die Signale!
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