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Krim-Atomkraftwerk - Nein Danke

■ Bewohner der sowjetischen Freizeitinsel Krim wehren sich gegen Bau eines AKWs / Netzanschluß vor Ergebnis der seismologischen Untersuchung geplant / Angst vor zweitem Tschernobyl

Moskau (dpa) - In der Sowjetunion wächst der Widerstand gegen den Bau von Atomkraftwerken. Auf der Krim gibt es zur Zeit scharfe Auseinandersetzungen um das „Krimatom -Kraftwerk“, das von der Öffentlichkeit offenbar rundweg abgelehnt wird. Insgesamt 20.000 Bürger hätten sich inzwischen gegen den Bau des Kraftwerkes auf der Freizeitinsel im Schwarzen Meer ausgesprochen, berichtet die 'Sozialistitscheskaja Industrija‘ am Donnerstag. Eine Hausfrau habe in nur einer Woche 960 Unterschriften gegen den Bau gesammelt und 2.000 Leser einer örtlichen Jugendzeitung hätten sich der Meinung der Redaktion angeschlossen, die gefordert hatte, die Krim solle zur „atomfreien Zone“ erklärt werden.

Der Protest richtet sich laut der Moskauer Zeitung vor allem dagegen, daß die Bevölkerung und selbst die örtlichen Fachkräfte unzureichend über die Unwägbarkeiten des Bauvorhabens informiert worden seien. Es habe eine Reihe von Unstimmigkeiten gegeben. So habe der Geophysiker Juri Bragin in einem Brief an das ZK der KPdSU im Herbst des vergangenen Jahres darauf hingewiesen, daß es vor Baubeginn keine seismologischen Untersuchungen gegeben habe. Daraufhin habe eine Kommission unter der Leitung des stellvertretenden Ministerratsvorsitzenden Boris Schtscherbina, der auch die Tschernobyl-Untersuchungen geleitet hatte, ein Gutachten erarbeitet, das bis heute nicht veröffentlich worden sei. Angeblich habe man die Bevölkerung nicht „beunruhigen“ wollen, schreibt 'Sozialistitscheskaja Industrija£. Die Kommission habe sich für den Weiterbau des Kraftwerks entschieden, aber einen nicht näher definierten „Maßnahmenkatalog“ aufgestellt.

Dort heißt es nach Angaben der Zeitung unter anderem, die seismologischen Arbeiten sollten bis 1990 vorliegen. Geplant sei aber, daß der erste Reaktorblock schon Ende 1989 ans Netz gehe. Das Gebietsparteikomitee habe die Überprüfung der Ergebnisse des Schtscherbina-Plans angeordnet. Dabei sei festgestellt worden, daß viele Maßnahmen nicht oder nicht vollständig erfüllt worden seien.

Bei einer öffentlichen Diskussion auf der Baustelle des AKWs sei die Meinung vertreten worden, die Krim solle ohne Atomkraftwerke bleiben, berichtet die Zeitung weiter. Die Befürworter des Bauwerks hätten auf andere Länder verwiesen, in denen der Anteil der Atomenergie größer sei als in der Sowjetunion.

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