: Lektion für Mannheims Gemeinderäte
Verwaltungsgerichtshof entschied: Mündliche Anträge und Anfragen müssen behandelt werden ■ Aus Mannheim Felix Kurz
Nachhilfeunterricht in Demokratie und Minderheitenschutz erteilte jetzt der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) dem Mannheimer Oberbürgermeister und den beiden großen Gemeinderatsfraktionen SPD und CDU. Sie dürfen mündliche Anträge und Anfragen einzelner Ratsmitglieder nicht mehr per Geschäftsordnung absägen.
Oberbürgermeister Gerhard Widder, SPD-Rechtsaußen, seiner Fraktion und der CDU war es schon lange ein Dorn im Auge, daß die Vertreter der kleinen Parteien (Grüne, FDP, DKP und Mannheimer Liste) immer wieder mit unbequemen, bohrenden Anträgen und Anfragen ihre traute Eintracht störten.
Als vor knapp zwei Jahren ein Grünes Ratsmitglied einen mündlichen Antrag im Gemeinderat stellte, meldete sich SPD -Fraktionschef Walter Pahl zu einem Geschäftsordnungsantrag zu Wort. Man solle doch den Tagesordnungspunkt „mündliche Anträge“ beenden. Gesagt, getan. Nichts war's mit dem Grünen Antrag.
Blieb noch der Tagesordnungspunkt „mündliche Anfragen“. Immerhin ermöglichen diese den Gemeinderäten, vom Oberbürgermeister öffentlich Auskünfte zu erhalten und Nachfragen zu stellen. Diesmal hob CDU-Fraktionschef Südmersen den Arm zum Geschäftsordnungsantrag. Er wollte, daß auch dieser Tagesordnungspunkt als beendet angesehen werde. Südmersen hatte Erfolg. Nicht eine einzige Anfrage war bis dahin beantwortet worden.
Die Grünen klagten gegen diese Praxis. Jetzt hat es die schwarz-sozialdemokratische Koalition schwarz auf weiß. Das Recht eines einzelnen Stadtrates, mündliche Anträge und Anfragen zu stellen, darf weder der Oberbürgermeister noch eine Mehrheit der Gemeinderäte verhindern, heißt es in dem unanfechtbaren Urteil des VGH, daß für alle Gemeinden in Baden-Württemberg Geltung hat.
In der Entscheidung kassierten die Richter auch gleich die entsprechende Passage der Geschäftsordnung des Mannheimer Gemeinderats mit. Der habe vor knapp zwei Jahren ausdrücklich beschlossen, daß man über die Geschäftsordnung die Tagesordnungspunkte „mündliche Anträge“ und „mündliche Anfragen“ abbügeln könne.
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