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Kleine Wümme getötet

■ Gifteinleiter im Vahrer Gewerbegebiet verursacht Massenfischsterben in der Kleinen Wümme / Ökologe: „Eine riesige Katastrophe“ / Fluß auf lange Zeit vergiftet

Eigentlich hatten sich die beiden 13jährigen Enno Bruns und Peter Glause den Donnerstag abend anders vorgestellt. Ausgerüstet mit zwei Angeln waren sie zur Klei

nen Wümme bei der Riensberger Straße in Horn gezogen, um lebendige Fische aus dem Wasser zu ziehen. Doch die Tiere waren alle tot. Sie bargen einen etwa 60

Zentimeter langen Hecht, der kieloben trieb, die Kadaver von Aalen und Weißfischen lagen auf dem Grund des kleinen Flüßchens.

Bereits am Donnerstag mittag waren Anwohner am Rechenzentrum in der Nähe der Universität an der Wümmestaustufe auf einen Schaumteppich aufmerksam geworden. In Absprache von Umweltbehörde und Deichverband wurden die Schleusen einiger Nebenflüßchen geöffnet, um die Giftbrühe zu verdünnen, doch für die Fische kam dies zu spät.

Einen Tag später haben sich mehrere Kinder am Fluß eingefunden, um mit langen Stangen die toten Fisch aus dem Wasser zu stochern. Noch immer lagen die Fischkadaver dicht an dicht unter Wasser, obwohl von der Wasserbehörde bereits ein Zentner tote Tiere herausgeholt worden war. Und auch die zahlreichen Enten, die zu der Zeit noch hektisch im Wasser herumpickten sind gefährdet: einige Artgenossen sind bereits krepiert.

Der Verursacher des Fischsterbens wird im Gewerbegebiet Vahrer Fleet vermutet. Die Regenwasserrohre führen aus diesem Gebiet direkt in die Wümme. Und auch über das Gift herrscht relative Klarheit. Der Geruch an der Wümme deutet auf sogenannten Kaltreiniger hin, der verwendet wird, um ölverschmutzte Metalle zu reinigen, und auch die

grünliche Wasserfarbe entspricht der Farbe einer Emulsion, die entsteht, wenn Kaltreiniger mit Wasser vermischt wird.

„Die ganze kleine Wümme ist vergiftet“, sagte gestern Fritz Bliesener, beim Wasserwirtschaftsamt zuständig für Gewässerkunde. Daß der Schaum lediglich an der Staustufe aufgetreten sei, liege an der dort verstärkten Wasserbewegung. Den Fluß zu reinigen wird schwierig, da sich Kaltreiniger nicht wie Öl vom Wasser abschöpfen läßt.

Der Biologe und Wasserexperte Michael Schirmer von der Bremer Universität sieht die Biologie der kleinen Wümme im Bereich des Fischsterbens auf lange Zeit zerstört. Durch die vielen Staustufen werde die Neuansiedlung von Kleinstlebewesen und Fischen unmöglich gemacht oder zumindest erheblich erschwert. Schirmer: „Das ist eine riesige Katastrophe.“

Wer immer auch für das Massensterben verantwortlich ist, die Möglichkeit den oder die Täter dingfest zu machen, gehen gegen null. Zwar hat das 7. Kommissariat Ermittlungen aufgenommen, doch noch nicht einmal der Weg zurück bis zu dem Gulli, in den der Kaltreiniger gekippt wurde, wird möglich sein. Inzwischen ist, auch aufgrund des anhaltenden Regens, eine genaue Bestimmung des Tatortes nicht mehr möglich.

hbk

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