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Tanz der Vampire: WeltbankWer zahlt Bankverluste?

■ Private Banken gehen eigene Wege / Finanzinnovationen entlasten die Bilanzen / Sozialisierung der Forschungsverluste

Teil 18: Enrique Dussel

Seit dem Ausbruch der internationalen Schuldenkrise im August 1982 konnten weder die internationalen Institutionen noch die westlichen Regierungen die strukturelle Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerländer aufhalten. Der sogenannte „Baker-Plan“ von 1985 und die IWF- und Weltbankstrategien sind nichts als ein Tropfen auf den heißen Stein: Die gesamte Außenverschuldung der Dritten Welt ist von 1982 bis 1987 um ca. 300 Mrd.Dollar auf fast 1200 Mrd. Dollar angestiegen.

Die dramatischen Folgen dieser Entwicklung zeichnen sich am Beispiel der lateinamerikanischen Länder deutlich ab. Obwohl sie seit 1982 einen Transfer von ca. 150 Mrd.Dollar für den Schuldendienst leisteten, stiegen die Gesamtschulden um 100 Mrd.Dollar an. Die vor allem vom IWF angemahnte Wachstumspolitik und die Leistung von Schuldendienstzahlungen reichen ganz offensichtlich nicht aus, um dem Schuldendebakel zu entkommen. Dies wurde frühzeitig auch von den privaten Gläubigerbanken erkannt. Die ausbleibenden Erfolge der offiziellen Institutionen im Schuldenmanagement veranlaßten die privaten Banken in zunehmendem Maße zu selbständigem Handeln.

Offensive der Privatbanken

Das transnationale Bankensystem, 1982 mit über 60 Prozent an der Kreditvergabe an Entwicklungsländer beteiligt, sah sich seit dem Ausbruch der Verschuldungskrise genötigt, seine Kreditpolitik entscheidend zu verändern. Die Gläubigerbanken, die bis 1982 durch die Vergabe von Auslandskrediten hohe Profite zu erzielen vermochten, mußten sich angesichts wachsender Zahlungsprobleme und der Erklärung von Moratorien mit der Möglichkeit vertraut machen, daß auch für sie Realverluste entstehen können. Um diesen Verlusten zu entgehen, schlugen die Banken eine dreigleisige Strategie ein: einen Absicherungsprozeß ihrer Forderungen („Securitisation“), eine weitere Liberalisierung der internationalen Finanzmärkte („Deregulierung“) und eine intensivierte Entwicklung sogenannter Finanzinnovationen. Seit 1982 ist so eine Reihe von Finanzierungsinstrumenten entstanden, die sich jeweils durch Zinssätze, Laufzeit, Währungstypus und zu erwartender Profitrate unterscheiden und von den Banken gegeneinander ausgetauscht werden können.

Die an die hochverschuldeten Länder gewährten Kredite wurden teilweise von privaten Banken seit 1986 auf Sekundärmärkten (Wertpapiermärkte) zum Verkauf angeboten, so daß sich ein „Marktpreis“ einstellen konnte. Dieser „Marktpreis“ schwankt, je nach Zahlungsmöglichkeit oder -bereitschaft des Schuldnerlandes und der Befolgung von IWF -Austeritätsprogrammen. Wesentlich an diesen neuen „Marktoptionen“ ist, daß die Gläubigerbanken ihre Forderungen an zahlungsunfähige Länder zu einem „Marktpreis“ anbieten, der sich von ihrem Nominimalwert („Nennwert“) unterscheidet, wodurch sich ein Abschlag ergibt. Auf den ersten Blick erfahren die Banken durch den Forderungsverkauf unter Nennwert einen Verlust. Ein zweiter Blick lehrt aber, daß die entstehenden Verluste keineswegs von den Banken getragen werden müssen.

Der „Marktpreis“ der Kolumbien-Forderungen schnitt 1987 mit durchschnittlich 74 Prozent ihres Nominalwertes am höchsten ab, die Bolivien-Forderungen mit 5 Prozent am niedrigsten. Vor allem die „debt for equity swaps“ und „exit bonds“ sollen entscheidend zur Entschärfung der Schuldenkrise beitragen. Die Finanzwelt geriet bei diesem Gedanken ins Schwärmen. J.Ingraham, früherer Vizepräsident der Citibank: „Ich glaube, wir werden die Geburt eines riesigen neuen Marktes erleben.“

Debt for equity swaps

Durch dieses neue Finanzinstrument sollen kapitalkräftige Investoren in die hochverschuldeten Länder gelockt werden. Die zugrundeliegende Idee ist recht simpel. Die privaten Banken verkaufen ihre Forderungen (zum „Marktpreis“) an Privatunternehmen, die dann wiederum diese Schuldtitel zu ihrem Nominalwert (nach Vereinbarung) und in nationaler Währung an die jeweilige Regierung eines Schuldnerlandes verkaufen. Der Volkswagenkonzern zum Beipiel kaufte 1987 in Mexiko durch diesen Mechanismus Staatschulden im Nominalwert von 238 Mio. US-Dollar, zahlte dafür einen Marktpreis von 170 Mio. US-Dollar und erhielt dafür einen Gegenwert von 260 Mio. US-Dollar in mexikanischen Pesos ausbezahlt. Daraus hervorgehender Profit: 90 Mio. US-Dollar! Die „debt for equity swaps“ ermöglichen nicht nur den Ausverkauf der hochverschuldeten Länder an das transnationale Kapital, sondern treiben die Inflationsraten der beteiligten Länder in die Höhe, da die Schuldtitel zum größten Teil durch neu gedrucktes Geld bezahlt werden. Diese Transaktionen haben bislang noch kein großes Volumen angenommen. Der wichtigste Grund für das langsame Marktwachstum ist die von den Schuldnerländern getroffene Einschätzung, daß der größte Teil der von den Banken vergebenen Abschläge von transnationalen Unternehmen realisiert wird und sie leer ausgehen. In diesem Zusammenhang äußerte Angel Gurria, Direktor der Öffentlichen Kredite Mexikos: „Wir fordern, daß die Abschläge an uns vergeben werden, nicht an andere, weil wir sie mehr als alle anderen brauchen.“

„Exit bonds“

Ende Dezember 1987 sorgte die mexikanische Regierung in Finanzkreisen für Aufregung: Mexiko sollte mit zwei Mrd. US -Dollar Wertpapiere der US-Regierung kaufen („zero-bonds“), deren Wert durch die anfallenden Zinsen bis zum Jahre 2008 10 Mrd. US-Dollar betragen sollten. Mit der so erworbenen Forderung sollten „alte“ Schulden in Höhe von 20 Mrd. gegen ca. 10. Mrd. „neue“ Schulden umgetauscht werden. Die US -Regierung war zu diesem Spiel bereit, und den Banken wurde dieser Forderungstausch durch einen überduchschnittlichen Zinsaufschlag auf die neuen Schulden schmackhaft zu machen versucht.

Doch das Geschäft platzte und statt 20 Mrd. US-Dollar wurden nur 3,6 Mrd. US-Dollar ausgetauscht. Durch die Transakton wird Mexiko jährlich ca. 50 Mio. US-Dollar „sparen“, weniger als 0,5 Prozent des gesamten Schuldendienstes! Dennoch hat der neue mexikanische Präsident Solinas bereits erklärt, solche Transaktionen in Zukunft fortsetzen zu wollen.

Wer trägt die Verluste?

Diese Finanzinnovationen hängen direkt mit dem Wertberichtigungsprozeß der Gläubigerbanken zusammen. Innerhalb dieser Logik sehen sich die Gläubigerbanken gezwungen, Reserven gegen „unsichere“ Forderungen anzuhäufen. Jay Newman, füherer Vizepräsident der Shearson Lehman: „Die neuen Reserven schaffen einen riesigen Fond. 70 Prozent bis 80 Prozent der Schulden der Entwicklungsländer könnten bald zu Marktpreisen getauscht werden.“

Im Gegensatz zu europäischen Banken, die inzwischen 50 bis 70 Prozent ihrer „faulen Kredite“ abgeschrieben haben, befinden sich besonders US-Banken in einer kritischen Lage: Ihre hohen Forderungen gegenüber zahlungsunfähigen Schuldnern lassen eine weitreichende Abschreibung aufgrund ihrer geringen Reserven nicht zu. Die Forderungen der neun größten US-Banken gegenüber Lateinamerika betrugen 1987 106 Prozent ihres Eigenkapitals, so daß in nächster Zukunft nicht mit einer starken Erhöhung ihrer Wertberichtigungen (1987: ca. 30 Prozent) zu rechnen ist.

Die Finanzinnovationen, die „Hoffnung der Marktanbeter“, entpuppen sich für die Banken als ein Mechanismus, ihre Realverluste „großzügig“ zu verteilen. Die nationalen Banken sind durch ihre jeweiligen Kreditgesetze gezwungen, bestimmte Mindestreserven gegenüber vergebenen Krediten zu halten. Darüber hinaus bieten die jeweiligen Regierungen ihren Banken Steuervergünstigungen an, die den Wertberichtigungsprozeß erleichtern sollen. Durch eine breite Palette von komplizerten steuerrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Mechanismen bemühen sie sich, die Bankenverluste auf ein Minimum zu reduzieren, „um die Konkurrenzfühigkeit der Banken aufrechtzuerhalten“.

Wertberichtigungen bedeuten ebenso eine Verringerung des Ausweises steuerpflichtiger Profite wie die von den Banken in engen Grenzen realisierten Forderungsverluste durch den Verkauf von Schuldtiteln unter ihrem Nennwert. Ein großer Teil der seit 1982 entstandenen potentiellen Bankenverluste werden so von Steuerzahlern in den Industrieländern getragen, ein weiterer Teil von den verschuldeten Ländern selbst, die hohe Aufschlagszinsen („spreads“) zahlen müssen. Die „Sozialisierung der Bankenverluste“ kann für die Gläubigerbanken in Zukunft sogar eine einträgliche Quelle von Extraprofiten sein (vgl. Kasten). Die vielgepriesenen marktwirtschaftlichen Anti-Schuldenstrategien nutzen in erster Linie den Gläubigern. Einen seriösen Beitrag zur Überwindung der Schuldenkrise stellen sie nicht dar.

Und die deutschen Banken?

Das Kreditgesetz erlaubt Banken, unversteuerte Profite aus anderen Geschäften zum Ausgleich von Wertberichtigungen zu verwenden („Überkreuzkompensation“). Im Gegensatz zu anderen Ländern verpflichtet das deutsche Kreditgesetz die Banken nicht zur Veröffentlichung der jeweiligen Geschäftsbilanzen. Die Jahresabschlüsse haben dadurch eher einen „Public Relations-Effekt“, so daß man in Bezug auf ihren Wertberichtigungsprozeß auf Schätzungen angewiesen ist. 1987 sollen sie annähernd 75 Prozent ihrer „unsicheren“ Forderungen ausgemacht haben. Treffen diese Daten zu, so dürften die deutschen Banken seit Ende der 70er Jahre um die 15 Mrd. DM an Reserven angehäuft haben.

Angesichts dieser günstigen Ausgangslage wundert es nicht, wenn Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG, über einen partiellen Schuldenerlaß für die Dritte Welt räsonniert. Zumindest die deutschen Banken haben sich mögliche Forderungsverluste längst von den Steuerzahlern und ihren Kleinkunden bezahlen lassen.

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