: Bremen spart Sozialhilfe
■ Arbeitswillige Sozialhilfe-EmpfängerInnen sollen die Hälfte ihres Fahrgeldzuschusses einbüßen / Fahrgeldzuschuß reicht nur noch für eine halbe Bremer Karte
Gerade stolz sei er nicht, sagt Walter Hartung, Leiter des Sachgebiets „Wirtschaftliche Hilfen“ der Sozialbehörde. Er hat herausgefunden, daß Sozialhilfe-Emp fängerInnen, die gemeinnützigen Arbeiten nachgehen, 20 Mark zuviel Geld pro Monat vom Amt bekommen. Damit soll jetzt Schluß sein.
Wer Sozialhilfe empfängt, braucht dafür nicht zu arbeiten. Will sie/er es freiwillig tun, kann sie sich von der „Werkstatt Bremen“, in eine „gemeinnützige“ Arbeit vermitteln lassen. Diese fleißigen Sozialhilfe -EmpfängerInnen verrichten öffentliche Arbeiten, pflegen zum Beispiel die Parks, aber helfen auch gemeinnützigen Vereinen und Projekten. Sie sind die billigsten Arbeitskräfte der Stadt: Zu ihrer Sozialhilfe bekommen sie eine „Mehraufwandsentschädigung“ von 40 Mark pro Woche. Damit sie zu ihren Arbeitsstellen kommen können, bezahlt ihnen die Sozialbehörde außerdem noch 40 Mark für
die „Bremer Karte“.
Bisher. Mit bürokratischem Scharfsinn ist Sozialamtschef Walter Hartung ihnen nun auf die unschuldigen Schliche gekommen: Schon vor über einem Jahr hat er gemerkt, daß die arbeitswilligen Sozialhilfe-Empfänger im Monat 20 Mark zuviel bekommen. Denn: Im Regelsatz der Sozialhilfe seien schon 20 Mark für Fahrgeld enthalten, stellte Hartung fest. Für die „Bremer Karte“ dürften sie nicht - wie bisher üblich - 40 Mark bekommen, sondern nur noch 20.
Doch in den unteren Rängen der Sozialbehörde zeigte Hartungs Geistesblitz wenig Wirkung: Die Sozialhilfe -EmpfängerInnen bekamen in den meisten Fällen weiterhin ihre „Bremer Karten“ von der Behörde voll ersetzt. Im Mai dieses Jahres schob Hartung deshalb eine Anordnung nach, und in den letzten Wochen ließ er die Außenstellen der Sozialbehörde verschärft anweisen, den EmpfängerInnen nun tatsäch
lich die 20 Mark abzuknapsen. Nur ungefähr 50 Leute sind davon betroffen. Die Ersparnis der Stadt mit 1.000 Mark pro Monat eher bescheiden. Besonders kurios: Einige der Sozialhilfe-EmpfängerInnen, die jetzt ihre „Bremer Karte“ zur Hälfte aus ihrer Regel-Sozialhilfe bezahlen sollen, brauchen sie nicht nur für den Weg zur Arbeit: Sie sind als Boten bei Behörden eingesetzt und fahren beruflich mit Bus und Bahn.
Schon vor knapp einem Jahr wollte die Behörde den Sozialhilfe-EmpfängerInnen das Arbeiten durch Geldabzug vermiesen: 20 Mark pro Woche, die Hälfte ihrer „Mehraufwandszulage“, sollten diejenigen einbüßen, die in Obdachlosen-Heimen wohnen. Die Männer aus dem Jakobushaus wehrten sich und hatten Erfolg. Am kommenden Mittwoch um 16.00 treffen sie sich wieder in ihrem Heim, um den Behördenvertretern deutlich ihre Meinung zu sagen, diesmal zum Thema Fahrgeldkürzung.
mw
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