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B Ü H N E B E R L I N

■ DER CONFERENCIER

Einmal mehr schickte das Schöneberger Staatstheater am Rathausplatz einen seiner Mimen nach draußen, zum Publikum - „vor Ort“ würde man es dort wahrscheinlich nennen. Der Mann im Außendienst hieß diesmal Wittwer, stellt eine Figur namens „Bausenator“ dar und hatte gestern an der Neuköllner Lohmühlenbrücke eine bunte Matinee (ohne Musik) zu moderieren. Gräulich-bräunlich kleinkariert angezogen erschien der Senator und sprang ein wenig über das kürzlich von der DDR eingetauschte Gebiet hin und her.

Routiniert schnattert er seine Ansprache herunter; seine Sprachmelodie ist minimalistisch. Das Ereignis scheint ihn auch herzlich wenig zu interessieren, so unbegeistert betet er - bei Zahlen und anderen Details stets auf dem Spickzettel Halt suchend - seinen Text herunter. Seine einzige sprachliche Gestaltungsmöglichkeit sind kleine Ausflüge ins Joviale, Saloppe, vielleicht im Ungang mit Bauwirtschaflern Erlernte: Wir müssen das Ding komplett auseinandernehmen.

Einmal nur wird der Senatorendarsteller schöpferisch: Von Anwohnern habe es zur neuen Planung des Geländes „fragende Proteste“ gegeben, sagt er, wohl unfreiwillig originell.

Solange ein anderer Offizieller spricht, blickt Wittwer ihn unruhig an, knibbelt an seinem Spickzettel herum, spannt nervös die Kaumuskeln, schnappt erfolglos nach dem Wort, macht unwillig und auf seinen nächsten Einsatz wartend hmm. Als die Neuköllner Brücke als „eine von 700 Instandsetzungsmaßnahmen des Bausenats“ bezeichnet wird, nickt der Senator stolz, als hätte er's selbst bezahlt.

Am Ende der Freiluftvorstellung muß der Senator sich mit dem Bezirksbürgermeister und einem Munitionssuchexperten für die Fotografen aufbauen. Farblos wie sein Anzug guckt er. Als er ein Fotografierlächeln versucht, mißlingt es ihm, wird zur gebleckten Maske. Dieses vergurkte Grinsen ist der einzige Ausdruck, der mir von ihm in Erinnerung geblieben ist. Wie hieß der Mann noch?

Klaus Nothnagel

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