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Burma-betr.: "Ein Land versinkt im Chaos",und "Gezähmter Tourismus",taz vom 9.7.88

betr.: „Ein Land versinkt im Chaos“, und „Gezähmter Tourismus“, taz vom 9.7.88

(...) Mir als naivem taz-Leser, der beim Begriff „Sozialimus“ noch immer Assoziationen hegt von einer vom Volk herbeigeführten und ge-, nicht nur ertragenen Gesellschaftsform, wird erklärt, um welche Herrschaftsform es sich hier handelt: Um die eines Militärapparates, der „die Verwaltung, die Wirtschaft bis hinunter auf die unterste Ebene des Handels und Verkaufs, das Bildungswesen sowie natürlich die 1962 neugegründete Staatspartei“ kontrolliert. Dieser wird dieses sicher nicht zu seinem materiellen Nachteil geraten lassen. Warum nennt Dusig die Sache nicht gleich beim Namen?

Andere Länder, so Dusig, haben sich den Fortschritt erobert und sind „darüber reich geworden“ - meint er damit den Reichtum philippinischer Slums, koreanischer Arbeitersiedlungen oder thailändischer Bordelle?

Neben der Mißwirtschaft (Produktion von Baumwolle für Textilien statt der von Grundnahrungsmitteln) müssen zur Erklärung für die miese wirtschaftliche Lage die aufständischen Rebellen herhalten. „Nicht zu unrecht“, so Dusig, „denn der Einsatz der 180.000 Mann starken Zentralarmee gegen die Aufständischen verschlingt die letzten Reserven des Staates“. Da muß es doch Gründe geben, wenn trotzdem von Guerillatruppen „fast die Hälfte Burmas“ kontrolliert wird. Opponieren diese etwa gegen die durch ihre eigene Existenz hervorgerufenen Lebensbedingungen, oder waren letztere vielleicht doch zuerst vorhanden?

Nein, wir lesen stattdessen: “... ein Volk, das Staat und Partei wenig Interesse entgegen bringt, seine Erfüllung aber im Privaten findet ... Burmesen, die sich mit der Armseligkeit ihrer Existenz abgefunden haben ...“ - mein Gott. Dennoch wird beim so geduldigen Volk doch mal der Bogen überspannt, und es kommt zu Studentenunruhen und zerstörten Regierungsgebäuden. Also was nun?

Zu allem Überfluß hält dann noch Jürgen Fuchs ein Plädoyer für den burmesischen „gezähmten Tourismus“, auf daß Burma für diejenigen, die es sich leisten können, noch ein Weilchen so bleibt, wie es ist, und klärt uns darüber auf, daß es mit den fast die Hälfte des Landes kontrollierenden Aufständischen doch nicht so weit her sein kann: Handelt es sich doch nur noch um „einige Grenzregionen, in denen Opiumanbau betreibende Warlords und verbliebene Reste aufständischer Gruppen der Armee sporadische Scharmützel liefern“.

Wie wär's denn, wenn bei der taz doch mal sowas wie ein verantwortlicher Redakteur solche Artikel liest, noch bevor sie erscheinen, besonders wenn es zwei zum selben Thema sind, sie korrigiert - und sie evtl. rausschmeißt, wenn sie allzu unerträglich sind? Ein bißchen mehr (politischer) Standpunkt und inhaltliche Klarheit könnte auch den Reiseseiten der taz nicht schaden, wenn sie sich nicht immer mehr den Wochenendbeilagen durchschnittlicher Tageszeitungen angleichen will.

Enno Liebenthron, Bremen

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