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Bhagwan-betr.: "Angeschlagener Guru",taz vom 9.7.88

betr.: „Angeschlagener Guru“, taz vom 9.7.88

Ergänzend zu Ihrem Bericht wäre noch zu sagen, daß auch die BRD zu den 21 Ländern gehört, die Bhagwan immer noch ein Touristenvisum verweigern, obwohl - oder gerade weil? - die meisten seiner Schüler und Besucher im Ashram von Poona Deutsche sind. (...)

Wichtig erscheint mir noch eines: Die von Ihnen zitierten Bhagwan-Worte über Homosexualität und Aids hören sich wie ein Verdammungs-Urteil an - für jemanden, der weiter nichts über Bhagwan weiß, klingt das so, als befände sich der unbequeme indische Meister in innigster Übereinstimmung mit Papst und Gauweiler. Lassen Sie sich nicht täuschen! Bhagwan verdammt niemanden. Er bemüht sich nur seit Jahrzehnten, die Menschheit aus ihrer Lethargie und ihrem Routinedenken aufzuwecken. Die Zen-Meister pflegten ihren Schülern Stockhiebe auf den Kopf zu versetzen, um sie wachzumachen. Bhagwan benutzt keinen Stock - er schlägt mit Worten zu. Und vor diesen Schlägen ist niemand sicher, auch Homosexuelle und Aids-Betroffene nicht.

Ma Paritosh Lore

Artikel über Bhagwan sind normalerweise entweder total unkritisch oder umgekehrt haßblind. taz-Stil ist es leider sehr oft, daß die Autoren weniger Nachrichten vermitteln als ihre eigene Erhabenheit über ihren Gegenstand. Von beidem ist dieser Artikel von Rainer Hörig erstaunlich frei. Man merkt richtig, wie er sich bemüht hat, wach und fair zu sehen und zu schreiben, nicht nur zu vervielfältigen, was man immer schon wußte. Daß auf die Titelseite der taz gleich der reißerische Hinweis auf Sex mit Kondom und Latex -Handschuhen steht, hat er wahrscheinlich nicht mal zu verantworten; ansonsten würde ich schon gerne mal wissen, bei wievielen Sannyasins er sich ans Bett gesetzt hat, um zu sehen, wie sie's treiben. (...)

Auch Rainer Hörig ist offenbar vorsichtig auf Abstand geblieben, selbst wenn er im Ashram in Poona war. Wenn er schreibt, viele hätten eine „meditative Stimmung erreicht“ oder „Hunderte von Menschen bewegen sich nach den Anweisungen der Therapeuten im Takt auf und ab“, kann man ihn sich vorstellen, wie er, Hände auf dem Rücken verschränkt, Kopf leicht zur Seite geneigt, daneben steht und mehr oder weniger wohlwollend „die Leute da“ beobachtet. Für dich Rainer, ich meine nicht für dich als Artikelschreiber, sondern als Mensch, wäre es hilfreicher gewesen, nicht Bhagwans Auslassungen über Homosexualität und Aids anzuhören, sondern was er über Aufmerksamkeit und (Selbst-)Beobachtung sagt. Das ist nicht spektakulär, aber du hättest vielleicht einige Sachen nicht so geschrieben. (...)

Thomas

(...) Was mich immer wieder ärgert ist, daß das Wesen von Sannyas ständig einseitig beschrieben wird: es ist eine Verhaltensforscherei, wobei nur der geringfügigste Teil der Sannyasins (die Ashramiten) beschrieben wird.

Außerdem gehst du mit den Worten Bhagwans um, als seist du ein Kind: du nimmst es ernst und für bare Münze. Unterläßt du es ebenso, die Worte eines Politikers zu interpretieren und zu hinterfragen? Du schreibst: „Und die Massen strömen wie nie zuvor.“ Was soll das heißen? Bist du wieder soweit, einer fremden Macht die Verantwortung für alles und jedes zuzuschieben? Oder bist du fähig, Menschen in den Massen zu erkennen, die jeder für sich irgendeinen Antrieb und Grund haben, in den Ashram zu gehen?

Und das Thema Aids auf den Plan zu rufen, um den Sannyasins irgendwas Krankhaftes anzuhängen, ist ja auch Uralt-Methode. Jeder einzelne ist doch hier herausgefordert, sich mit Sex, Krankheit und Tod auseinanderzusetzen. Wir denken, das wichtigste dabei ist, ehrlich zu bleiben - unsere dummen Ängste und unseren Ekel zu erkennen.

Gitesha

Rainer Hörig hat in seinem Beitrag ein Kunststück vollbracht: er hat nur Negatives über Bhagwan und den Ashram in Puna geschrieben, obwohl dort so viele positive Ansätze kreiert und praktisch umgesetzt werden, wie wohl an keinem anderen Ort.

In Puna werden zur Zeit die Voraussetzungen zur Errichtung einer „Weltakademie für kreative Wissenschaften, Künste und Bewußtsein“ geschaffen. Das Ziel dabei ist es, Wissenschaftler und Künstler aus aller Welt zusammenzuführen, ihnen Forschungsmittel und -möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, so daß für die drängenden Probleme unserer Zeit Lösungen gefunden und umgesetzt werden können. Die Akademie ist Bestandteil eines umfassenden Gesamtkonzeptes für die globale Erneuerung sozialer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Systeme. Kurz zusammengefaßt, schlägt Bhagwan die Auflösung der Nation im politischen Sinne vor, die Umwandlung destruktiver Kräfte in schöpferische, wie zum Beispiel des Militärs, und beschreibt die sich daraus ergebenden positiven Perspektiven für die Zukunft auf unserer Erde als Ganzes. (...)

Die Abwertung und Verhöhnung der von Bhagwan als erstem vorgeschlagenen Aids-Vorsorgemaßnahmen haben sich als falsch erwiesen. Inzwischen sind sie international anerkannt, ohne daß freilich sein Verdienst gewürdigt worden wäre. (...) Vor dem Hintergrund, daß Aids durch alle Körperflüssigkeiten übertragen werden kann und schon Babys mit Aids-Virus geboren werden, sieht Bhagwan die Gefahr, daß 2/3 der Erdbevölkerung bis zum Ende dieses Jahrhunderts an Aids sterben könnten. Er appelliert daher an das Verantwortungs und Mitgefühl der Aids-Kranken. (Mir sträuben sich die Tasten! d.sin) Sie sollten von sich aus in Kommunen, Dörfern und Städten, getrennt von den Nichtinfizierten, zusammenleben, damit sie niemand anderen gefährden und dennoch ein erfülltes Leben und Sexualleben führen können. Sollten sich jedoch die Dinge zum Schlimmeren wenden, so könnte diese Lösung als möglicher Ausweg für alle akzeptabel sein. Eine voreilige Verurteilung dieses Ausweges könnte sich wieder als Fehler erweisen und eine Wendung zum Positiven (Das ist der Hohn! d.k.) erschweren. (...)

Enzo

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