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Mehr Last als Lust

Auch die alternative Ökonomie hat sich am Markt zu bewähren / Von der Selbstverwaltung zum Kooperationsbetrieb / Vernetzung als Perspektive?  ■  Aus Freiburg Burghard Flieger

„Delegierte Macht und unterschiedliche Verteilung der materiellen und immateriellen Ergebnisse“, so beschreibt Marlene Kück, Altmatadorin der Selbstverwaltungsszene, den aktuellen Weg vom Kollektiv zum Kooperationsbetrieb. Vor knapp 130 Teilnehmern ist sie eine der 50 ReferentInnen einer Tagung zur „Praxis Alternativer Ökonomie bis ins Jahrtausend“ in der evangelischen Akademie Arnoldshain. Vom 15. bis 22. Juli wird hier - veranstaltet vom Theoriearbeitskreis Alternative Ökonomie der AG SPAK, der Arbeitsgemeinschaft Sozialpolitischer Arbeitskreis theoretisiert, diskutiert und gestritten, wie es weitergehen kann und soll.

„Neben den Erfahrungen sollen Probleme, Stellenwert, Innovationspotential und Perspektiven Alternativer Ökonomie behandelt werden“, verspricht der Einladungstext des Veranstalters. Bisheriges Ergebnis: kritische Bestandsaufnahmen überwiegen. „Verbetrieblichung“, „Prozeß der Ökonomisierung“ oder „Anpassung politischer Forderungen an die Markterfordernisse“ sind Stichworte hierfür. Die Ursachen sieht Kück im „Kollektivstreß“. Auf Dauer werde „die Leidensfähigkeit der Kollektivisten“ überfordert. Während die Fähigkeit zur Selbstverwaltung steigt, scheint die Bereitschaft, sie zu praktizieren, jedoch zu sinken. Abschied vom Kollektiv also angesagt?

Die Statistik spricht eine andere Sprache. Mehr als Hälfte der 1988 in einer NRW-Studie aufgeführten selbstverwalteten Betriebe wurden nach 1983 gegründet. „Totgesängen zum Trotz hat der Selbstverwaltungsgedanke“, laut Udo Schramm, der an der Studie mitarbeitet, „noch immer seine zu Experimenten anregende Kraft nicht verloren.“ Er widerspricht damit der „Vergreisungsthese“ von Frank Heider und Burkhard Bluem, die in ihrer Hessenstudie die Selbstverwaltungsidee als „Eingenerationenphänomen“ charakterisierten.

Nach ihrer Einschätzung sehen jüngere Mitglieder von sozialen Bewegungen in der Selbstverwaltung mehr „Last als Lust“. Für sie stelle sich selbstverwaltetes Arbeiten als keine neue Chance dar. Heider und Bluem befürchten deshalb, daß sich die Selbstverwaltung durch ihre Generationsgebundenheit ausdünnt.

„Das Spannungsfeld gegen starre Strukturen offen zu halten

-und damit in Bewegung zu beleiben - kann“, laut Anne Dudek vom VNB, dem Verband niedersächsischer Bildungsinitiativen, „nur über eine Vernetzung geleistet werden.“ Die könne aber nur durch bewußt handelnde Subjekte getragen werden. Denn Personen bestimmen nach ihrer Auffassung Strukturen. „Sie entwickeln widerständiges Verhalten auch in 'unserer‘ Bewegung.“

In diese Aufgabe stellt sie den VNB. Mit seiner Hilfe soll es gelingen, lebenserhaltende Arbeitszusammenhänge herzustellen. „Die Ungleichzeitigkeiten im Institutionalisierungs- und im Bewegungsprozeß aufzudecken und konstruktiv zu werden“, sieht Anne Dudek weiterhin als erfolgversprechenden Weg. Große Entwürfe und langfristige hoffnungsvolle Perspektive für die Selbstverwaltung fehlen auf der Tagung. Die Mühen der Ebenen bleiben angesagt. Kleine, hilfreiche Schritte zeigen jedoch viele Beiträge auf. Einmal mehr sind es innerbetrieblich das Lernen von Konfliktlösungen und das Einlassen auf Organisationsentwicklungsprozesse - möglichst mit Hilfe von Außenstehenden. Überbetrieblich heißt das „Zauberwort“ noch immer: Vernetzung. Hoffnungsvolleres fällt den TheoretikerInnen aus der Praxis nicht ein. Nur in der Verknüpfung von Kultur, Politik und Ökonomie, so eine Teilnehmerin'kann Selbstverwaltung seine bewegende Kraft bewahren - oder wiedergewinnen.

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