: Haftgrund: Täter ist Asylbewerber
■ Mit der Haftstrafe soll die Rechtsordnung der BRD verteidigt werden / Baden-Württembergisches Amtsgericht schafft Sonderrechte für Asylbewerber / „Konsequente Anwendung der Strafgesetze unausweichlich“
Albstadt (dpa) - Allein, weil er Asylbewerber ist, ist ein als Hehler geständiger Türke vom Amtsgericht Albstadt (Baden -Württemberg) zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wie das Gericht in seinem rechtskräftigen Urteil ausführt, hätten Tatumstände und die Persönlichkeit des Täters auch eine Geldstrafe zugelassen. Zur „Verteidigung der Rechtsordnung“ der Bundesrepublik sei aber eine Freiheitsstrafe notwendig gewesen. Die Strafe wurde für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Der 19jährige Asylbewerber aus der Türkei, über dessen Asylantrag nicht entschieden ist und der seit 1985 in der Bundesrepublik lebt, kaufte im Februar von einem Deutschen für 20 Mark einen neuen Videorecorder, der aus einem Einbruch stammte. Am Videorecorder klebte ein Preisschild mit der Aufschrift: Sonderpreis 999 Mark. Bei Durchsuchung des Asylantenheimes fand die Polizei das Gerät.
Der Türke gestand, ihm sei klar gewesen, daß der Verkäufer das Gerät gestohlen hatte. Das Gericht räumte in der Urteilsbegründung ein, daß „weder die Schwere der Tat noch die Persönlichkeit des Angeklagten einer Geldstrafe entgegenstehe“. Der 19jährige habe vorher keine Straftat begangen. Er habe die Tat in der Hauptverhandlung zugegeben und „Einsicht und Reue“ gezeigt. „Weil es sich bei dem Angeklagten um einen Asylbewerber handelt, ist aber zur Verteidigung der Rechtsordnung eine Freiheitsstrafe unerläßlich.“
Da das Asylrecht für politisch Verfolgte zum Kernbereich unserer Rechtsordnung gehöre, werde die Anwendbarkeit der Grundrechtsbestimmung schon in Frage gestellt, wenn sie von „Wirtschafts- und Versorgungsflüchtlingen fast lawinenartig mißbräuchlich in Anspruch genommen“ werde.
Werden Asylbewerber im Gastland straffällig, sei die „konsequente Anwendung der Strafgesetze unausweichlich, um die völlige Aushöhlung dieser Verfassungsnorm zu Lasten der wenigen echten Asylbewerber verhindern zu können“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen