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Können denn Priesterinnen Sünde sein?

Auf der Weltkirchenkonferenz der Anglikaner kämpft die „Bewegung für die Ordination von Frauen“ für die Erlösung vom rein männlichen Klerus / Rückzugsgefechte der Mutterkirche im Kampf gegen den weiblichen Vormarsch zum Altar  ■  Aus Canterbury Rolf Paasch

Bischöfe, wohin das Auge blickt. Canterbury, der Sitz des Primas der englischen Staatskirche, wimmelt in diesen Tagen von ihnen: Weiße Bischöfe, schwarze Bischöfe, kleine dicke Kirchenfürsten und hochaufgeschossene Hirten Gottes bevölkern für drei Wochen den Campus der Universität. So auch an diesem Nachmittag. „Lächeln bitte“, schreit der Fotograf durch das Megaphon - und 524 im Gruppenbild (noch ohne Damen) versammelte Bischöfe aus den weltweit 28 Provinzen der Anglikanischen Kirche, die wie purpurfarbene Papageien auf den Stangen der aufgestellten Stahlrohrtribüne hocken, grinsen breitmäulig in die Kamera. Doch nach dem Schuß fürs Fotoalbum der Kirchengeschichte stiefeln sie in weißer Schärpe und violettem Ornat wieder in alle Richtungen. Einige haben es besonders eilig: Sie wollen auf der diesjährigen „Lambeth Conference“, hier am Sitz des Erzbischofs von Canterbury, gegen die drohende Ordination von Frauen ins Priesteramt Stimmung machen. Denn wieder einmal steht die Anglikanische Kirche mit ihren 70 Millionen Gläubigen in aller Welt am Scheidewege - oder kurz vor ihrem Abgang in die Hölle, wie es einige Mitglieder des alle zehn Jahre zusammenkommenden Klerus sehen. Nicht die Probleme afrikanischer Bischöfe mit der Polygamie ihrer Schäfchen, nicht der Kampf der US-Episkopalkirchler gegen TV -Fundamentalismus und Aids, auch nicht das Verhältnis zu den anderen christlichen Glaubensrichtungen und zum Judaismus, nein, der schier unaufhaltsame Vormarsch der Frauen zum Altar beherrscht 1988 die dreiwöche Mammutkonferenz. Denn in Großbritannien hat die Generalsynode der Church of England vor zwei Wochen mit einer mühsamen Mehrheit prinzipiell für die Priesterinnen gestimmt; in Neuseeland, Australien und anderen Provinzen gibt es längst Priesterinnen, und in den USA droht jetzt gar die Wahl einer Bischöfin, zum Entsetzen der konservativen anglo-katholischen Fraktion auch noch einer Schwarzen.

Die in Canterbury eingeschlagene Strategie der bischöflichen Männerherrlichkeit gegen die Eroberung der heiligen Kirchenhallen durch die Frauen ist mindestens so alt wie die Kirche selbst. Die Frauen wurden als Spalterinnen des christlichen Glaubens porträtiert. Plötzlich war wieder Einheit Trumpf. Als der Erzbischof von Canterbury in seiner Eröffnungsansprache von der Notwendigkeit einer verstärkten Autorität in der pluralistischen anglikanischen Kirche und dem Christentum allgemein sprach - wobei ihm offenbar eine Art ideeller Gesamtpapst vorschwebte -, war dies nichts anderes als die Gegenstrategie zur Verhinderung eucharistischer Weiblichkeit. „Unsere Einheit wird durch die Zulassung von Frauen zu Priesteramt und Episkopat gefährdet“, so der Chef der englischen Mutterkirche und aller Anglikaner. Wenig später traf dann auch noch der Bote des Frauenfeindes Nr.1 aus Rom ein. Es freue ihn zu hören, ließ der Papst ausrichten, daß die Frage der christlichen Einheit ganz oben auf der Tagesordnung stehe; und er hoffe doch sehr, daß die Versammlung einen positiven Schritt in Richtung Einheit unternehmen werde; was bedeutete: Laßt bloß die Weiber draußen, sonst könnt ihr die Annäherung vergessen.

„So etwas war ja zu erwarten“, sagt Vivienne Faull, seit einem Jahr Diakonin in Cambridge. „Dies sind nur die Rückzugsgefechte des kirchlichen 'old boy networks'“. Sie und ihre Mitstreiterinnen in der „Bewegung für die Ordination von Frauen“ (MoW) tauschen in Canterbury internationale Erfahrungen mit dem kirchlichen Patriarchat aus. Ingesamt gibt es in fünf der anglikanischen Provinzen bereits 1.200 Priesterinnen. „Bei uns in den USA“, erzählt Berry Schiess, die 1974 zusammen mit zehn Frauen damals noch illegal zur Priesterin geweiht wurde, „bei uns sind die Gegner von einst heute stolz auf uns Frauen“. Im Jahr 2000, so hofft Vivienne Faull, werden auch die englischen Diakoninnen, nicht nur wie heute taufen und verheiraten, sondern auch das Sakrament der heiligen Kommunion vollziehen. „Bei uns dauert halt alles etwas länger.“

Doch dagegen sind nicht nur die Bischöfe des anglo -katholischen Kirchenestablishments, sondern auch die „Frauen gegen die Ordination von Frauen“ (WaOA), die das Kunststück fertigbringen, gegen das zu sein, was sie sind. Während Bischof John Spong aus New Jersey, der liberale Champion der Frauenpriester, die ganze Diskussion für einen alten Hut hält und lieber über den kirchlichen Umgang mit dauerhaften homosexuellen Beziehungen diskutieren möchte, bestehen die Anti-Frauen von WaOA auf dem Priestertum mit Schwanz „only„; in der Nachfolge männlicher Apostel und eines „nicht nur zufällig“ männlichen Christus. „Die wollen nicht nur Priesterinnen, die wollen Jesus auch noch mit Busen ans Kreuz nageln“, ist aus ihren Reihen über die Beweggründe von MOW zu hören. Andere verstehen die Geschlechts-Spaltereien und die Angst vor der weiblichen Sexualität im Priestergewand überhaupt nicht. Jesus selbst habe sich den Frauen gegenüber doch auch ganz gewöhnlich und unsexistisch verhalten, so die Kritikerin der Anglikaner 'Storkey, bis sich die Kirche seiner Lehre annnahm, möchte man/frau hier ergänzen.

Auf die Frage, warum sie die Diskussion um das Priester und Bischofsamt für Frauen in der anglikanischen Kirche nicht leid seien, antworten die Frauen von MoW sehr unterschiedlich. „Ohne Wandel in der Religion, gibt es überhaupt keine gesellschaftliche Veränderung“, sagt die US -Priesterin Berry Schiess, womit sie Hegel mal eben wieder auf die Füße bzw. Marx auf den Kopf stellt. Gerade in den USA habe der Eintritt der Frauen in den Klerus auch für andere gesellschaftliche Bereiche eine Symbolwirkung gehabt. „Warum ich in dieser Kirche weitermache“, fragt Liz Robinson, die als Laienvertreterin der neuseeländischen Frauenbewegung zur Weltkonferenz nach Canterbury gekommen ist: „Das habe ich mich hier auch jeden Abend gefragt.“

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